Schmetterlingsschatten
verbanne sie damit die Gefahr in den Bereich der Geschichten und Märchen.
»Unsinn, das Mädchen wurde überfahren und Laura hatte einen Unfall. Außerdem ist das schon ein Jahr her, wenn es einen Mörder gäbe, dann hätte der doch schon lang wieder zugeschlagen«, flüsterte Tristan zurück.
»Stimmt schon.« Elena musste weitersprechen, es hielt die anderen Geräusche fern. »Aber ich habe einen Brief bekommen, in dem steht, dass Lauras Tod kein Unfall war.«
Tristan blieb so abrupt stehen, dass Elena stolperte. »Einen Brief? Von wem?«
Verwirrt kämpfte Elena um ihr Gleichgewicht. »Weiß ich nicht, es stand kein Absender drauf«, antwortete sie schließlich wahrheitsgemäß.
Tristan atmete tief durch. »Wahrscheinlich war es nur jemand, der sich wichtig machen wollte, wegen des toten Mädchens und so. Du solltest nicht allzu viel darauf geben.«
Elena war sich da nicht ganz so sicher, aber Tristan wollte offensichtlich nicht, dass sie noch mehr Angst bekam. Also nickte sie. Sie war froh, als er sie weiterzog. Sie wollte aus diesem unheimlichen Wald raus.
Gegen besseres Wissen hatte Elena gehofft, dass ihre Mutter schon ins Bett gegangen wäre und sie sich unauffällig ins Haus schleichen könnte. Stattdessen kam sie ihr entgegengeeilt, als Elena die Tür aufschloss. Sie trug immer noch ihr Sommerkleid, aber jetzt sah sie darin blass aus und wirkte fahrig.
»Wo bist du gewesen?« Die gleiche Frage wie immer, doch neben der Sorge lag Zorn in der Stimme ihrer Mutter.
Verlegen sah Elena zu Boden. Ausnahmsweise wollte ihr keine passende Ausrede einfallen.
»Ich habe bei Nina angerufen, dort warst du überhaupt nicht.« Der Tonfall wurde drohend. »Was hast du gemacht, dass du es mir nicht erzählen kannst?« Sie trat einen Schritt näher zu Elena.
»Ich war mit ein paar Leuten aus der Schule unterwegs«, begann Elena vorsichtig.
»Was für Leute? Aus deiner Klasse?« Wieder trat ihre Mutter näher. Dann schnupperte sie in Richtung Elena. »Du riechst nach Zigaretten, hast du etwa geraucht?«
Stumm schüttelte Elena den Kopf. Sie wagte nicht mehr zu sprechen, wahrscheinlich hätte ihre Mutter dann auch noch das Bier in ihrem Atem gerochen.
»Elena, ich bitte dich, du weißt doch, dass das nicht gut für dich ist.« Jetzt wurde ihre Mutter weinerlich.
»Ich hab doch gar nicht geraucht, das waren die anderen.«
»Welche anderen?« Ihre Mutter packte sie so fest an der Schulter, dass es beinahe wehtat. Elena konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sie am liebsten geschüttelt hätte. Ihre Mutter wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie ihr von Tristan erzählte. So versuchte sie es mit einem Teil der Wahrheit.
»Malin und ein paar Freunde von ihr.«
Überraschend ließ ihre Mutter sie los. Ihre Augen wurden so groß und dunkel, dass sie wie schwarze Löcher in ihrem fahlen Gesicht wirkten.
»Nein.« Ihre Stimme war so tonlos, dass Elena das Wort eher erriet, als dass sie es hörte. Dann riss sie sich offensichtlich wieder zusammen. »Ich möchte nicht, dass du mit diesen Leuten etwas zu tun hast, hast du verstanden?« Sie sprach ungewöhnlich heftig und laut. Elena fuhr zusammen. So kannte sie ihre Mutter gar nicht.
»Aber warum denn nicht? Malin war doch auch Lauras Freundin.« Sie ahnte, dass sie diese Frage besser nicht gestellt hätte, aber in ihrer Überraschung war sie ihr einfach herausgerutscht.
Ihre Mutter starrte sie an. Fast eine Minute lang schwieg sie und Elena fragte sich schon ernsthaft, ob sie die Frage überhaupt gehört hatte. Ich hätte Laura nicht erwähnen sollen, dachte sie. Das hat sie aus der Fassung gebracht.
»Wenn… wenn du mit den Älteren unterwegs bist, werden sie dich nur ausnutzen. Außerdem sind sie ein schlechter Einfluss, du hast ja gesagt, dass sie rauchen. Und du riechst nach Bier.« Ihre Mutter sprach jetzt wieder ruhig und beherrscht. Zu ruhig, für Elenas Geschmack. Irgendetwas schien absolut nicht in Ordnung zu sein. Irgendetwas, das ihre Mutter bedrückte und das sie Elena nicht sagen wollte. Aber jetzt war wohl kaum der richtige Zeitpunkt, das auszusprechen. Jetzt galt es erst einmal, ihre Mutter zu beruhigen.
»Tut mir leid, Mama«, antwortete sie in einem sanften Tonfall. »Ich wusste nicht, dass du es nicht willst. Außerdem hab ich gar nicht gemerkt, wie spät es war.« Zumindest das Letzte war nicht gelogen.
»Versprich mir, dass du diese Leute nicht wieder triffst!« Ein flehendes Flüstern. »Ich möchte nicht, dass dir auch noch
Weitere Kostenlose Bücher