Schmetterlingsschatten
etwas passiert. Wenn du auch fortgehst, bin ich ganz alleine. Versprichst du es?«
Elena nickte. »Versprochen, Mama.« Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen. Natürlich würde sie die Clique wieder treffen. Sie konnte nicht verstehen, warum sie das nicht sollte. Schließlich taten sie nichts Schlimmes. Zumindest konnte sie sich vornehmen, kein Bier mehr zu trinken, es schmeckte sowieso nicht.
»Kann ich jetzt ins Bett gehen?«
Ihre Mutter nickte schwach. Erleichtert trottete Elena Richtung Treppe, doch die Stimme ihrer Mutter hielt sie noch einmal auf. »Ich möchte, dass du morgen und übermorgen zu Hause bleibst.«
Elena drehte sich noch mal um. »Aber es ist Wochenende. Vivienne…«
Ihre Mutter schnitt ihr das Wort ab. »Du kannst nicht viel zu spät nach Hause kommen, mich anlügen, Bier trinken und dann weitermachen, als ob nichts gewesen wäre. Du bleibst zu Hause, verstanden?«
Elena zog kleinlaut den Kopf zwischen die Schultern. »Ja, Mama.« Sie wartete, ob ihre Mutter noch etwas zu sagen hatte, doch die starrte sie nur weiter an. »Gute Nacht«, sagte sie nach einer kleinen Weile und huschte die Treppe hinauf.
Als sie in ihr Bett fiel, schwirrte ihr Kopf von all dem, was sie erlebt hatte. Vielleicht war es aber auch vom Bier.
Kapitel 4
Warum hatte er sich vorher nicht darum gekümmert? Ein ganzes Jahr hätte er Zeit gehabt. Aber irgendwie hatte er sich zu sicher gefühlt. Er hatte geglaubt, nichts würde ans Licht kommen. Hoffentlich war nun noch nicht alles zu spät. Er kauerte zwischen den Büschen und spähte zum Haus hinüber. Es sah friedlich aus mit seinem heiteren Anstrich und den bunten Blumen davor, doch er wusste, dass der Eindruck täuschte.
Er musste einfach versuchen hineinzukommen. Und er musste herausfinden, wie viel sie wusste.
Am nächsten Morgen fühlte sich Elenas Zunge unangenehm pelzig an und sie hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Sie putzte sich besonders gründlich die Zähne, bevor sie im Schlafanzug zum Telefon tappte und Viviennes Nummer wählte. Die war bestimmt schon wach und Elena hatte das Bedürfnis, mit jemandem über den vorherigen Abend zu reden.
»Hallo, du«, meldete sich Vivienne nach dem ersten Klingeln. Sie hatte ein Telefon in ihrem Zimmer, worum Elena sie sehr beneidete. Sie selbst hatte nicht einmal ein Handy. »Was meinst du, was wollen wir heute machen? Videos gucken mit Timo?«
»Geht nicht«, gestand Elena. »Ich hab Hausarrest.«
»Wie hast du denn das angestellt?« Vivienne klang überrascht. Elena konnte es ihr nicht verdenken. Hausarrest hatte sie noch nie bekommen. So war ihre Mutter normalerweise nicht.
»Ich bin erst gegen zwölf zu Hause gewesen«, fing sie an. Nach und nach berichtete sie Vivienne, wie der letzte Abend verlaufen war.
»Na, du hast dich ja ganz schön verknallt, was?«, fragte Vivienne, als sie fertig war. Es klang missbilligend.
»Nein. Das heißt, ich weiß nicht. Aber sie sind auch so ziemlich cool. Total locker. Niemand macht ihnen was vor, sie tun, was sie wollen«, schwärmte Elena.
»Warum brauchst du eine Clique, um zu tun, was du willst?«, gab Vivienne zurück. »Tust du das mit uns nicht auch?« Elena merkte, dass ihre Freundin beleidigt war. Rasch lenkte sie ein.
»Doch, schon, klar. Aber das ist was anderes. Ich meine, sie machen andere Sachen. Und sie sind so… erwachsen, weißt du?«
»Findest du?« Viv klang skeptisch. Allmählich spürte Elena Ärger in sich aufsteigen. Warum konnte Vivienne sie nicht verstehen? Warum musste sie alles schlechtmachen?
»Du musst einfach mal mitkommen, dann wirst du selbst sehen, dass sie ganz anders sind, als du denkst«, versuchte sie es noch einmal.
»Nein, danke, ich kann auch so machen, was ich möchte, dazu brauche ich nicht Tristan und seine Anhänger. Außerdem glaube ich nicht, dass ich da erwünscht bin.«
»Ach was, wenn ich dich mitbringe…«
»Gib dir keine Mühe, ich lege wirklich keinen Wert auf die Clique.«
Elena schwieg und auch Viv sagte nichts weiter. Es entstand eine Pause, die umso unangenehmer wurde, je mehr sie sich in die Länge zog. Schließlich hörte Elena Vivienne am anderen Ende der Leitung seufzen.
»Tut mir leid, Elena, ich will dir da auch nichts kaputt reden. Aber ich finde das plötzliche Interesse der Clique an dir ziemlich merkwürdig.«
»Warum?«, fragte Elena verstimmt. Konnte Viv sich nicht vorstellen, dass auch mal jemand anderes etwas mit ihr unternehmen wollte? So ungewöhnlich war das doch wirklich
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