Schmetterlingsschatten
ab. Heute allerdings klang es etwas zu gezwungen, und als Elena zu ihrer Freundin hinübersah, bemerkte sie, wie diese sie nachdenklich musterte.
»Was hast du eigentlich vorhin wirklich mit dem Breitmaulfrosch besprochen?«, fragte sie.
»Nenn ihn nicht so!« Elena ärgerte sich. Da war es wieder, Vivienne war eben doch eifersüchtig, dass der coolste Junge der Schule sich für Elena interessierte und nicht für sie.
»Warum, er hat eine ziemlich große Klappe, oder nicht? Ist da überhaupt was dahinter?« Viviennes Stimme klang gereizt und sie schien auf Streit aus zu sein. Elena musste sich zusammennehmen, um ruhig zu bleiben. Sie ging nicht darauf ein.
»Er wollte wissen, wann wir uns wieder treffen«, beantwortete sie Viviennes Frage, ohne zu verraten, dass sie sich bereits mit ihm verabredet hatte.
»Hm.« Vivienne streifte ihr T-Shirt über und sah immer noch unzufrieden aus.
»Was, hm?«
»Ich glaube immer noch, dass da irgendwas nicht stimmt, bei dem plötzlichen Interesse an dir.« Sie klang jetzt etwas ruhiger. Elena versuchte ein freundschaftliches Lächeln.
»Mensch, er mag mich eben. Wie Timo.«
»Und du, magst du ihn?« In den Blick ihrer Freundin war etwas Lauerndes getreten. Etwas, das Elena davon abhielt, ihr die ganze Wahrheit zu sagen. Sie machte ein möglichst gleichgültiges Gesicht.
»Ach, ich find ihn schon süß, irgendwie.« Es gelang ihr, es beiläufig klingen zu lassen. »Du nicht?«
Vivienne verzog angewidert das Gesicht. »Eher nicht. Aber ich find die meisten Jungen eh ätzend. Bis auf Timo, der ist okay.« Sie seufzte. »Na, egal. Ich muss jetzt heim, Nachhilfe und so. Wir sehen uns später.« Sie umarmte Elena nicht, sondern drehte sich auf dem Absatz herum und stapfte davon.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis Elena etwas gefunden hatte, das sie anziehen konnte. Sie war noch nie in einer Disco gewesen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie dort nicht in ihren alten Jeans und dem Tanktop auftauchen konnte. Ihr Kleiderschrank gab sonst nicht viel her, außer braven Sonntagskleidern, die sie hasste.
Schließlich entschied sie sich doch für eine Jeans, nachtschwarz und bisher kaum getragen. Ihre Mutter hatte sie ihr für Lauras Beerdigung besorgt und danach hatte Elena die Hose ganz unten in ihrem Schrank vergraben, unter der Kiste mit den Familienfotos. Glücklicherweise war die Hose damals etwas zu groß gewesen, sodass sie nun einigermaßen passte. Aus Lauras Zimmer besorgte sich Elena eine bunte, eng anliegende Weste und etwas Schminkzeug. Sie schminkte sich selten, aber heute Abend konnte es bestimmt nicht schaden. Vielleicht hatte sie so eine bessere Chance, in die Disco hineinzukommen.
Als sie endlich umgezogen war, war es bereits Viertel vor sechs. Gerade genug Zeit, um zum Marktplatz zu kommen. Elena schlich die Treppe hinunter und angelte ihre Turnschuhe vom Schuhregal. Sie schlüpfte aus der Haustür und setzte sich auf die Treppenstufen, um die Schuhe anzuziehen.
»Wo willst du hin?«
Elena fuhr zusammen. Ihre Mutter hatte hinter ihrem Rücken lautlos die Tür geöffnet und war ihr nachgekommen. Vielleicht hatte sie Elena gehört, vielleicht hatte sie auch einfach noch mal einkaufen gehen wollen.
»Ich… ich wollte zu Viv.« Im selben Moment, in dem sie die Lüge aussprach, wurde Elena bewusst, wie idiotisch das klingen musste. Wenn sie zu Vivienne gehen wollte, hätte sie sich niemals aus dem Haus geschlichen.
»Warum lügst du mich an?« Es versetzte Elena einen Stich zu hören, wie verletzt und müde die Stimme ihrer Mutter klang. »Du willst wieder zu diesem Jungen, oder? Tristan.«
Elena sah an sich herab, auf die edle Jeans, die bunte Weste. Es war offensichtlich. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie einfach losrennen sollte. Bestimmt war sie viel schneller als ihre Mutter, und bis diese wusste, was los war, konnte Elena schon am Marktplatz sein. Aber dann würde ihre Mutter wahrscheinlich die Polizei rufen und das Letzte, was Elena brauchte, war, von Timos Vater nach Hause gebracht zu werden.
Also nickte sie betreten. »Mama…«, begann sie, brach dann aber ab. Sie hatte sagen wollen, dass Tristan gar nicht so übel war, dass sie ihn sehr gerne sehen mochte, dass sie es satthatte, zu Hause zu sitzen und nichts unternehmen zu dürfen, über das ihre Mutter nicht haarklein Bescheid wusste. Aber das konnte sie nicht. Sie wusste, dass ihre Mutter es nicht verstehen würde. Vielleicht auch nicht verstehen wollte.
»Geh ins Haus!«, sagte ihre
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