Schmetterlingsschatten
nur einen Moment zu zögern, zog Elena den Helm über, schwang sich auf den Roller, schlang ihre Arme um Tristans Hüften und lehnte sich an ihn. Durch den dünnen Stoff seines T-Shirts drang ein leichter Geruch nach Duschgel und ein Hauch von Schweiß. Ihr Herz begann unwillkürlich zu rasen. Sie konnte sich nicht erinnern, je so nahe an einem Jungen gesessen zu haben.
»Alles klar dahinten?« Tristan startete den Motor.
Elena nahm wieder ein kleines Stück Abstand und rief ein »Klar« nach vorne.
»Dann festhalten!« Ruckartig fuhr Tristan an. Elena klammerte sich an ihn und genoss gleichzeitig die Wärme seines Körpers und den Fahrtwind, der ihre Hosenbeine zum Flattern brachte. Es war ewig her, dass sie auf einem Roller mitgefahren war, und das war auch mit Laura gewesen, nicht mit einem Jungen. Schon gar nicht einem wie Tristan.
Tristan lenkte den Roller am Spielplatz vorbei und aus dem Dorf hinaus, in Richtung der Landstraße, die am Waldrand entlangführte.
»Wohin fahren wir?«, rief Elena durch den Fahrtwind nach vorne, denn dies war nicht der Weg zum Klubhaus.
»Lass dich überraschen!«, schrie Tristan zurück. »Wir machen einen kleinen Ausflug. Die anderen sind schon da, aber ich wollte auf dich warten.«
Neugierig geworden lehnte Elena sich an Tristan vorbei nach vorne und versuchte zu erkennen, wo es hingehen könnte, aber bis jetzt folgten sie einfach der gewundenen Landstraße in Richtung Lensberg.
Sie werden doch nicht… bitte nicht schon wieder das tote Mädchen , schoss es Elena durch den Kopf und für einige Minuten verging ihr der Spaß an der Fahrt gründlich. Doch dann bog Tristan auf eine kleinere Seitenstraße ab, die zu einem stillgelegten Kieswerk führte, und Elena konnte erleichtert durchatmen. Die Leiche war ein gutes Stück weiter vorne an der Straße gefunden worden, nahe bei Lensberg.
Die Straße, der sie jetzt folgten, war viel weniger befahren als die Landstraße zuvor. Der Motor des Rollers klang ungewöhnlich laut durch die Nachmittagshitze. Die Luft über der Straße flirrte und spiegelte Pfützen vor, wo überhaupt keine waren. Es roch intensiv nach Wald und Erde. Elena legte den Kopf in den Nacken, sah die Baumwipfel vorbeiflitzen und stellte sich vor, durch den Himmel zu gleiten, im kühlen grünen Schatten dieser Bäume, immer weiter und weiter. Ein gutes Gefühl, auch wenn ihr dabei ein bisschen schwindelig wurde.
Das Kieswerk lag am Ende der Seitenstraße und war von einem Metallzaun umgeben. Die stillgelegten Gebäude mit den leeren Fenstern schienen auf sie herunterzustarren, als Tristan den Roller vor dem Tor anhielt. Hinter den Gebäuden und auf dem Hof türmten sich Kiesberge auf, fünf Meter oder höher. Im Hintergrund führte ein altes, rostiges Förderband über eine glitzernde Wasserfläche auf einen Förderturm zu.
»Willkommen in unserem zweiten Zuhause.« Tristan schwang sich aus dem Sattel und reichte Elena galant die Hand. Lächelnd ließ sie sich vom Roller helfen. Erst jetzt bemerkte sie, dass die restliche Clique bereits in der Nähe des Tores herumstand. Zwei weitere Roller parkten im Schatten der Bäume, drei Fahrräder lagen daneben.
»Hey, Kleine«, Malin trat vor und zauste Elenas Haar. »Schade, dass du neulich nicht da warst.«
Elena zuckte nur mit den Schultern und grinste sie an. »Jetzt bin ich ja da. Was genau machen wir hier?«
»Schwimmen.« Das dunkelhaarige Mädchen, von dem Elena inzwischen wusste, dass sie Rebecca hieß und in Tristans Klasse ging, zwinkerte ihr zu.
Elena sah zu der verführerisch glitzernden Wasserfläche hinüber. Einige Blesshühner zogen ihre Runden auf dem Wasser und Libellen flitzten darüber hinweg. »Da kommen wir doch gar nicht rein. Außerdem hab ich kein Schwimmzeug dabei.« Sie sah Tristan vorwurfsvoll an. »Hättest mir sagen können, dass ich welches mitbringen soll.«
Tristan lächelte verzeihungsheischend, aber Patrick pfiff nur leise durch die Zähne. »Musst du eben nackt schwimmen, Kleine. Hast doch eh nichts, was man dir abgucken könnte, oder?«
Elena zuckte zusammen und sah sich hastig in der Runde um. Erwarteten die von ihr tatsächlich, nackt zu schwimmen? Das konnte sie nicht, sie wusste, dass sie es nicht über sich bringen würde. Erst recht nicht, wenn Tristan dabei war.
Patrick und Daniel grinsten, Tristan sah eher verärgert aus, sagte aber nichts, die anderen blickten betont unbeteiligt zur Seite. Malin stupste Elena leicht an. »Los, wehr dich!«, flüsterte sie ihr
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