Schmetterlingsscherben
nicht nur einen unfassbar hässlichen Pullunder, sondern auch eine übergroße Hornbrille auf der Nase, durch die seine Augen ungefähr doppelt so groß waren wie sonst, und sein Haar war knallrot gefärbt. «Du siehst aus wie ein behinderter Pumuckl mit Fischaugen», lachte ich, nach Luft schnappend. Lennard grinste amüsiert. «Das ist das erste Mal, dass ich dich so lachen sehe. Gefällt's dir? Ich dachte, das wäre vielleicht eher nach deinem Geschmack!»
Immer noch lachend wischte ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln. «Und damit willst du wirklich den ganzen Tag rumlaufen? Die Brille ist ja der Oberhammer, wie dick sind die Gläser denn bitte?!»
«Ehrlich gesagt sehe ich auch nur bedingt durch die Gläser, wenn du es erlaubst, würde ich sie also lieber absetzen, bevor ich noch irgendwo gegen renne.»
«Tu dir keinen Zwang an, mir ist das eh scheißegal», erwiderte ich, grinste aber immer noch. Lennard nahm die Brille ab und steckte sie sich in die Tasche.
«Ich werde den ganzen Tag so herumlaufen, wenn du mir versprichst, in der zweiten Pause auf den Hof zu kommen und mit mir rumzuhängen», feixte Lennard nun. Obwohl ich ihm wirklich nur ungern zusagte, konnte ich doch nicht widerstehen. «Machst du Witze?! Ich lass mir doch nicht die Chance entgehen, zuzusehen, wie du dich vor der gesamten Schule zum Affen machst und das Gespött der Leute wirst! Meinetwegen machen wir das schon in der ersten Pause!»
«Da hab ich noch Prüfung.» Er verdrehte die Augen. «Die Letzte, glücklicherweise. Geht auch nur vierstündig. Also zweite Pause steht. Wir haben einen Deal», lächelte er selbstgefällig und hielt mir die Hand entgegen. Seufzend schlug ich mit ihm ein, ehe ich mich zu unserem Klassenraum aufmachte. Der Kerl war wirklich nicht mehr ganz bei Sinnen.
Kopfschüttelnd ließ ich mich in der Bank nieder und versuchte mich auf den Stoff zu konzentrieren, als der Matheunterricht begann.
Die zweite große Pause war der absolute Kracher. Lennard hatte zu meinem größten Vergnügen seine Brille wieder aufgesetzt und wurde von absolut allen Seiten angeglotzt und ausgelacht. Ihn schien das nicht einmal zu stören.
«Deine Augäpfel sind ungefähr so groß wie Tennisbälle», sagte ich lachend und setzte mich neben ihn. Deal war Deal. Und ich hatte sowieso keinen Ruf mehr, den man hätte ruinieren können, indem ich hier bei ihm saß.
«Damit ich dich besser sehen kann», grinste er und lehnte sich auf der Bank zurück.
«Hey, Brillenschlange! Die Außenseiterbank ist dahinten!», rief irgendeiner der Oberstufenschüler und ging lachend an uns vorbei.
«Willkommen am unteren Ende der Schulrangordnung», nickte ich und kreuzte die Beine übereinander. Dora sah unsicher zu uns rüber, als wüsste sie nicht so recht, ob sie sich dieser Peinlichkeit auch aussetzen sollte, oder die Pause lieber allein verbrachte.
Sie entschied sich offenbar für Letzteres, denn sie steuerte die Bank an, auf der wir normalerweise saßen.
«Wieso ist das eigentlich die Außenseiterbank?», fragte Lennard stirnrunzelnd und biss von seinem Sandwich ab, ehe er es mir hinhielt. «Nein danke, ich hab schon gegessen.»
«Tatsächlich? Vor drei Tagen?», erwiderte er spitz.
«Nein, heute Morgen», knurrte ich.
«Das ist viel zu lange her. Hier.» Er hielt beharrlich das Brot vor meinem Gesicht.
Ich sah ihn vielsagend an und er lächelte dämlich, also nahm ich seufzend das Brot und biss davon ein kleines Stück ab, ehe ich es ihm zurückgab. Zufrieden nahm er ebenfalls einen weiteren Bissen. «Also? Warum?»
«Weil sie umzingelt ist von Brennnesseln und Kletten und weil man vom Lehrerzimmer aus einen direkten Blick darauf hat, sodass man nie unbeobachtet bleibt», erklärte ich. «Du musst noch viel lernen, wenn du dauerhaft bei uns Losern mitmischen willst.»
«Ich hab heute meine letzte Prüfung gehabt, ich bin raus aus dem scheiß Schulding», grinste er.
«Das Loserleben gibt es auch in der normalen Öffentlichkeit.» Ich streckte ihm die Zunge raus.
«Du verlangst also, dass ich ab jetzt immer so rumlaufe, wenn ich mit dir Zeit verbringen will?», seufzte er. Ich lachte los. «Wer sagt denn, dass ich dann mehr Zeit mit dir verbringe?!»
«Für irgendetwas muss das ja gut sein», erwiderte er kauend. «Sonst mache ich mich ja völlig umsonst zum Gespött der Leute.»
«Ich hab dich bestimmt nicht gebeten, so rumzulaufen», grinste ich. «Davon bekommt man auf Dauer Augenkrebs.»
«Charmant», Lennard schnitt eine
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