Schmetterlingsspiegel (Keshevra's Queendom) (German Edition)
Was war nur los mit ihr? So emotional war sie normalerweise doch nicht. Hatte der Hund sie etwa mit irgendetwas infiziert? Sabrìanna hob ein paar Steine auf und feuerte sie mit Wucht über die Wasseroberfläche, mitten in die Wellen hinein. Auf einem See wären sie nun vielleicht gesprungen, hier gingen sie einfach nur unter, ohne eine Spur zu hinterlassen. Genau wie die Anderswelt verschwunden war. Versunken in den Nebeln, so hätte es in den alten Geschichten geheißen. In ihrem Fall war der Reißverschluss des Spiegels durch den Schmetterling geschlossen worden und hatte sie ausgesperrt.
Erschöpft und niedergeschlagen rieb sie sich mit beiden Händen übers Gesicht, fuhr sich durchs Haar, ließ die Schultern hängen. Es hatte keinen Sinn, sich aufzuregen ebenso wenig wie nach einer Lösung zu suchen. Vielleicht sollte sie versuchen, wirklich Urlaub zu machen, so wie sie es eigentlich vorgehabt hatte, die Gedanken daran zu verdrängen irgendwie. Sie lief zurück, langsam und nachdenklich, bis sie in dem kleinen Laden ankam, in dem ihre Eltern ihr immer ein Softeis gekauft hatten. Sie gönnte sich eines und tatsächlich, der Geschmack auf ihrer Zunge rief ein Lächeln auf ihre Lippen. Gemütlich schleckend wanderte sie die Straße entlang und war in Erinnerung bei ihren Eltern und ihrer sorglosen Kindheit, ganz versunken und glücklich dabei, bis sie einen Laden entdeckte, in dem man keltischen Schmuck anbot. Sofort trat sie ein und sah sich darin um, das war genau ihr Geschmack. Die grauhaarige Verkäuferin schenkte ihr ein Lächeln, ließ sie aber in Ruhe schauen, worauf sie ein Paar Ohrringe entdeckte, Silberdrachen mit rubinroten Steinchen als Augen. „Die sind wunderschön“, urteilte sie und hielt sich die beiden an die Ohren, schaute in den Spiegel, ob sie ihr auch standen – und da war er wieder, der Schmetterling. Erleichtert sah sie ihm zu, wie er über den Spiegel flatterte, holte tief Luft und ließ noch rasch die Ohrringe los, bevor sie fiel… und fiel… und fiel…
Kapitel 10: Ich habe auf dich gewartet...
„Wo warst du, verdammt?“ Noch bevor Sabrìanna sich wieder gefangen hatte, ging Aidan bereits auf sie los. Diesmal war sie direkt vor seinen Füßen – oder besser gesagt Pranken – gelandet, weswegen er keine Möglichkeit hatte, sich erst einmal abzuregen und durchzuatmen, bevor er reagierte. Für sein Empfinden war sie unerträglich lange fort gewesen. Eine wahre Ewigkeit, während derer er sich durchgehend Gedanken und Sorgen gemacht hatte, nicht nur wegen seiner Welt, auch wegen ihr. Da sie nicht hier gewesen war, als Herne die beiden zu sich rief, hatte man ihm den Zugang zu ihrer Welt gesperrt. Egal wie sehr er auch dagegen getobt hatte, ihnen erklärt, dass das doch völlig widersinnig war. Dass er sie so doch nicht zurückholen konnte und dort nicht beschützen, für den Fall, dass auch Scary Gary durch die Spiegel zurückgezogen worden war. Die Wächter der Königin hatten ihn ignoriert und so hatte er nichts anderes tun können, als das Land nach dem kriegstreiberischen Hund abzusuchen und sich Sorgen zu machen. Nervtötend und zermürbend – und völlig ergebnislos. Eigentlich wollte er sie auch nicht so anfahren, aber die Erleichterung, sie zu sehen, die Überraschung, weil dies völlig ohne Vorwarnung geschah, und die lange Zeit ohne sie, allein mit seiner Angst, hatten ihn zu dieser Übersprunghandlung veranlasst, die bei ihr natürlich sofort die Nackenhaare aufstellte. Sie straffte sich und sah ihn aus zornblitzenden Augen an. „Wo werde ich wohl gewesen sein, hm? Durch den Spiegel gefallen, in meiner Welt gelandet. Ich kann ja nicht zurück, wann ich will. Nein, ich muss brav warten, bis sich irgendwo eine spiegelnde Fläche für mich öffnet und mich verschluckt wie ein hungriges Krokodil!“ schoss sie zurück, „ich wollte nicht weg – aber wurde ich gefragt? Nein, natürlich nicht, das werde ich ja nie, ich werde nur herumgeschubst wie ein... eine... ein Schlamperpüppchen, und wenn ich Glück habe, falle ich wenigstens weich, wenn ich falle!“ „Ein was?“ hakte Aidan verwirrt nach. Das Wort hatte er noch nie gehört und er vermutete beinahe, dass sie es nur erfunden hatte. „Ein ist-doch-auch-egal!!! Du weißt genau, was ich meine!“ regte sie sich auf, bevor es unaufhaltsam weiter aus ihr heraussprudelte: „Jedenfalls habe ich es satt. Satt! Weißt du eigentlich, was ich alles angestellt habe, um wieder hier zu landen? Nein,
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