Schmetterlingsspiegel (Keshevra's Queendom) (German Edition)
Kuss verhindert hatte, so sehr sie ihn auch dafür verfluchte. Sie erinnerte sich, dass Aidan gesagt hatte, er hätte sie einfach in die Anderswelt holen müssen, es ihr unbedingt zeigen wollen. Das verstand sie, es wäre ihr wohl nicht anders gegangen. Wenn sie nicht so geradlinig in ihrem Denken gewesen wäre, hätte sie vielleicht auch viel früher die richtigen Schlüsse gezogen, und es wäre nicht notwendig gewesen, dass er etwas sagte. Hatte er darauf gehofft? Dass sie es selbst erkannte, ohne dass er Regeln brechen, Verbote umgehen musste? Es würde die Melancholie erklären, die sie so oft spüren konnte, bei dem Drachen wie bei dem Mann. Vielleicht war es ja wirklich nicht seine Schuld. Als sie bei dieser Erkenntnis ankam, ließ sie sich in die Kissen zurück sinken. Sie hatte ihn angeschrien. Ihm vorgeworfen, er hätte sie zum Narren gehalten und ihr Herz gebrochen. Dann war sie davon gestürmt, hysterische Kuh, die sie war, hatte ihm keine Möglichkeit gegeben, sich zu erklären. Hatte ihn zurückgelassen mit einem Spiegel. Dabei wusste sie ganz genau, dass Spiegel nicht immer taten, was man wollte. Das Echo eines gequälten Schreis hallte durch ihren Kopf. Nein. Sie hatte es gehört, aber nicht verstanden. Es war nicht seine Entscheidung gewesen zu gehen, natürlich nicht. Er musste. Genau wie er ihr nicht sagen durfte, was er war. Das war es gewesen, was er nicht konnte. Er hatte es versucht, aber man hatte ihm die Sprache verschlagen. Sabrìanna vergrub ihr Gesicht in beiden Händen und verfluchte ihre eigene Dummheit. Was immer ihr angetan worden war, sie hatte es ihm doppelt heimgezahlt. Und nun? Aus und vorbei. Keine Chance mehr, sich zu entschuldigen, weder für sie noch für ihn. Auf immer getrennt, wie die beiden Königskinder, die nicht zueinander kommen konnten, weil das Wasser, das sie trennte, zu tief war. In dem Lied endete es damit, dass sie beide starben bei dem Versuch, die ihnen gesetzten Grenzen zu überwinden. So theatralisch war das wahre Leben normalerweise nicht, aber es fühlte sich schon ein wenig an, als müsse sie ihr Glück begraben.
Tränen strömten über ihre Wangen, ohne dass sie es bemerkte. Es war alles so unfair. Ihre Freunde sprachen nicht mehr mit ihr. Ihre Tante hatte ihr nach langem Zögern mitgeteilt, dass sie nach Ohio auswandern würde, weil sie dort ein unglaubliches Jobangebot in Cedar Point, dem Park mit den verrückten Achterbahnen, erhalten hatte. Es würde sogar sehr schnell gehen, nicht viel Zeit, sich zu verabschieden. Deswegen konnte sie auch nicht warten, bis ihre Nichte wieder ganz gesund war, bevor sie es ihr beichtete. Natürlich freute sie sich für sie. Natürlich wünschte sie ihr Glück. Aber das bedeutete eben auch, dass sie ganz allein sein würde. Sollte sie wirklich kriechen und sich bei Liam und Danika entschuldigen, nur damit die sie wieder mit ihrer Freundschaft beehren würden? Sie konnte ja nicht erklären, wo sie die ganze Zeit gewesen war, wieso sie sich nicht gemeldet hatte. Die Vorstellung, ihnen zu sagen, dass Ethan an allem schuld gewesen war, dass er sie verführt, ihre gesamte Zeit und Aufmerksamkeit verschlungen und sie am Ende hinausgeworfen hatte wie ein Spielzeug, mit dem man nichts mehr anfangen konnte, war einfach zu grotesk. Auch wenn sie ihr das abnehmen, ihr verzeihen und sie wieder in den Freundschaftsreigen aufnehmen würden, Mitleid mit ihr hätten und sich um sie kümmern würden. Es wäre gelogen. Ethan war nicht schuld, und sie wollte eigentlich auch mit niemandem über ihn reden, schon gar nicht so schlecht. Sie wollte ihn wieder, das war die traurige Wahrheit. Etwas, was sie nicht haben konnte. Bestimmt ließ man ihn nicht mehr in die Menschenwelt, jetzt wo er all diese Regeln ihretwegen gebrochen hatte. Je länger sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie sich, dass er es getan hatte, weil sie ihm auch etwas bedeutete. Mehr als das. Er wollte sie in seiner Welt haben, er wollte ihr sein wahres Wesen zeigen. Sein Gesichtsausdruck, als sie ihm gesagt hatte, dass sie sich sowohl in Ethan als auch in Aidan verliebt hatte, stand deutlich vor ihrem inneren Auge und zerriss ihr fast das Herz. Warum hatte sie das nicht erkannt? Sie war einfach zu erschrocken, verletzt und wütend gewesen, hysterisch geradezu. Verständlich vielleicht, aber es hatte ihnen die Möglichkeit genommen, wirklich miteinander zu sprechen. Die Missverständnisse und Fehlinterpretationen aus dem Weg zu räumen, zu überwinden, was sie
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