Schmetterlingsspiegel (Keshevra's Queendom) (German Edition)
trennte, und am Ende möglicherweise doch noch zu dem Kuss zu kommen, den sie sich mit jeder Faser ihres Körpers gewünscht hatte. Jetzt noch mehr, da sie wusste, dass es der Drache gewesen wäre, der sie geküsst hätte. Dass es also möglich war.
Sabrìanna seufzte abgrundtief. Jetzt war die Chance vertan, doch sie wollte nicht eine von denen sein, die in Selbstmitleid zerflossen und sich länger als nötig in ihrem Bett verkrochen. Da draußen war ein Leben, das gelebt werden wollte. Egal was geschah. Aufstehen und raus, das war das einzige Mittel gegen den Herzschmerz, sonst würde er niemals vergehen. Entschlossen warf sie die Decke zurück und kletterte aus dem Bett. Noch ein bisschen wacklig auf den Beinen vom langen Liegen ging sie ins Bad, duschte ausgiebig und betrachtete sich beim Zähneputzen nachdenklich im Spiegel. Sie sah blass aus, hatte Ringe unter den Augen und war noch ein wenig verquollen. Von ihren Sommersprossen war auch kaum mehr etwas zu sehen, doch ein wenig Bewegung an der frischen Luft sollte das alles beheben. Da hörte sie auch schon ihre Tante an der Tür, die höchst erfreut war, dass ihr Mädchen wieder auf den Füßen war, und sich sofort bereit erklärte, sie bei einem Stadtbummel zu begleiten. Eingehakt fiel ihr das Gehen auch viel leichter, und sie ließ sich deren Urlaub in leuchtenden Farben schildern, von dem Job erzählen, Hauptsache Ablenkung. Sie freute sich von Herzen, und das merkte man ihr an, was ihre Tante sehr erleichterte. Die hatte natürlich ein schlechtes Gewissen gehabt, ihre Nichte sozusagen allein zurück zu lassen, die einzige Familie, die sie noch hatte. „Ich bin alt genug und mein Leben ist wunderschön!“ versicherte Sabrìanna lachend, und sie meinte es auch so. Auch wenn Ethan/Aidan daraus verschwunden war, auch wenn sie sich vielleicht neue Freunde suchen musste. Sie hatte einen Job, der ihr Spaß machte, lebte in einer Stadt, in der es sich mehr als gut leben ließ, war umgeben von freundlichen Menschen und mitreißender Musik, hatte Bücher, in die sie sich verkriechen konnte, eine Wohnung, in der sie sich wohl fühlte, was brauchte man mehr?
Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug. Das Literaturcafé, in dem sie bisher gearbeitet hatte, wechselte überraschend den Besitzer, und mit dem neuen Chef kam sie nicht wirklich aus. Also verbrachte sie immer weniger Stunden dort, was ihm anscheinend nur Recht zu sein schien, er hatte eigene Arbeitskräfte, die er stattdessen einsetzte. Unter anderen Umständen würde sie das beunruhigen und bedrücken, doch Sabrìanna war voll und ganz damit beschäftigt, ihrer Tante bei der Auswanderung zu helfen. Denn keine von beiden ging davon aus, dass sie nur für ein Jahr oder zwei dort arbeiten würde, es fühlte sich dafür zu permanent an. Der Hausstand musste aufgelöst werden, die Formalitäten erledigt; Sabrìanna half, wo immer sie konnte und tat es gern. Doch als sie schließlich in der leeren Wohnung standen, erwischte die beiden der Trennungsschmerz, die Endgültigkeit der Situation mit voller Wucht. Sie umarmten einander, verabschiedeten sich tränenreich und versprachen sich, einander ganz oft zu schreiben, sich zu besuchen, was man eben so sagte, wenn man sich von jemandem trennte, den man sehr mochte. Doch beide wussten, dass sie wenig dazu kommen würden, trotz Internet und günstigen Auslandstarifen für Telefongespräche würden sie beide ihr Leben haben, so war es nun einmal in dieser schnelllebigen Welt. Nachdem sie ihre Tante verabschiedet hatte, fuhr Sabrìanna zurück zu ihrer eigenen Wohnung und ließ sich aufs Sofa fallen. Der Bildschirm ihres Fernsehapparats war schwarz, doch sie konnte keine Energie aufbringen, diesen anzuschalten, auch wenn es gut tun würde, sich von irgendetwas berieseln zu lassen. Ihr Kopf war völlig leer, ihre Energiereserven ausgelaugt, sie war einfach nur erschöpft. In dieser Situation kam die Sehnsucht nach Aidan mit einem Schlag zurück, die sie die ganze Zeit hatte zurückdrängen und manchmal sogar ignorieren können. Er hatte einen viel tieferen Eindruck hinterlassen, als ihr klar gewesen war, einen eventuell sogar nie mehr auslöschbaren. Sie holte tief Luft, aber das Einatmen tat weh. Würde es so bis zum Ende ihres Lebens sein? Dass sie dem einen Mann nachtrauerte, der ihre große Liebe hätte sein können – wäre er von dieser Welt gewesen? Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, trieb dieser Gedanke sie zum Lachen. Zuerst klang es noch
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