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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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Balancieren. Weiße Rechtecke an Chausseebäumen. Seifenmagnete. Fleischfressende Pflanzen. Mäander-Muster. Papas Pantoffeln. Die theoretische Möglichkeit, Selbstgespräche zu führen. Zweihänderschwerter. Kleine Dreiecke am rechten oberen Bildrand, wenn in alten Filmen »die Rolle gewechselt« wurde. Galläpfel. Festgetrockneter Kot an Kuhhintern. Durchsichtige Zierschaltknüppel mit eingeschlossenen Miniautos. Schnorchel. Boviste. Eier mit Hahnentritt. Glitzernden Rutschbelag an Treppenstufenrändern. Bumerangs. Bahnpuffer. Rolandskulpturen. Kondensstreifen. Schreibtische mit Geheimfach. Blitzableiter. Tarzanschreie. Trigonometrische Punkte. Eisen. Amerikaner mit Füßen auf dem Tisch. Bullaugen. Klappsitze in der U-Bahn. Rettungsringe. Kirchenorgeln mit Rückspiegel. Eisbrecher. Ameisenköniginnen mit Flügeln. Schießscharten. Kerzenlöscher. Sonnenuhren. Niemandsland. Plexiglas. Sandbänke. Lesebrillen mit zwei Schärfen. Tandems. Blasrohre. Bahnhofswaagen. Brotschneidemaschinen. Die in verschiedene Richtungen zeigenden Kerben zum Ablegen des Gewehrs in den Fenstern von Jagdhochständen. Weißbrot. Brandschutzschneisen im Wald. Aufklappbare Motorradsitze mit Raum für Werkzeug. Wassertreter. Weiße Hundekacke. Die R-Taste vom Telefon. Dietriche.
    Sodom und Gomorra, S. 28–49
    Dieser knapp vierzigseitige erste Teil des vierten Bands (der zweite Teil nimmt dann die restlichen sechshundert Seiten ein), scheint eine Typologie der Homosexualität zu liefern. Es hatte mich zwar nicht unbedingt nach Unterweisung auf diesem Gebiet verlangt, aber bitte, Weltliteratur ist Weltliteratur, einem großen Autor muß man überallhin folgen. Proust beschreibt, wie sich die, die er wie Freud » Invertierte « nennt, in Cafés treffen und dabei, da man sich keine Blöße gibt, für Außenstehende offenbleibt, ob es sich um eine » Zusammenkunft einer Anglergesellschaft, einer solchen von Redaktionssekretären oder der aus dem Departement Indre Gebürtigen « handelt. Daneben gebe es aber auch die Einzelgänger, » in ihrem verhältnismäßig sittenreinen Leben hat der Mangel an Erfahrung und die Sättigung durch bloße Träumerei, auf die sie angewiesen waren, stärker die besonderen Merkmale der Effeminiertheit ausgebildet, welche diejenigen, die sich im Laster zusammengefunden haben, zu verwischen bemüht sind «. Ich nehme mal an, mit Laster ist hier nicht das Fahrzeug gemeint.
    Er beschreibt diese Menschen allerdings nicht unbedingt wohlwollend, die » unaufhörlich von hysterischen Konvulsionen geschüttelt, mit schrillem Lachen Knie und Hände zusammenkrampfen «. (Wodurch in unschöner Weise die Frau an ihnen äußerlich sichtbar werde, was als Charakterisierung nun wieder beleidigend für die Frauen wirkt.) » Warum sollten wir, wenn wir in dem Gesicht dieses Mannes zarte Züge bewundern, die uns rühren, eine natürliche Liebenswürdigkeit, wie Männer sie nicht besitzen, tief betrübt sein zu erfahren, daß dieser junge Mensch Verlangen nach kräftigen Boxern trägt? « Und jetzt auch noch Seitenhiebe gegen die Männer. Seit wann besitze ich keine natürliche Liebenswürdigkeit?
    Nun zu den Einzelgängern, die man mit Juden in der Diaspora vergleichen könne oder mit » jungen Löwen, die dennoch Löwen bleiben «, wenn sie domestiziert wurden . » Nie zu wirklicher Reife gelangt, periodischer Schwermut verfallen, machen sie an einem mondlosen Sonntagabend einen Spaziergang bis zu einem Kreuzweg, wohin einer ihrer Kindheitsfreunde, der ein benachbartes Schloß bewohnt, ohne daß sich die beiden durch ein Wort verständigt haben, ebenfalls gekommen ist und den andern erwartet. « Dort fangen sie auf dem Gras » bei den Spielen von einst wieder an, ohne ein Wort zu sagen «. Bei weiteren Begegnungen bleibt das Geschehene unter ihnen unkommentiert. Kühle, ein ironischer Ton, Reizbarkeit, vielleicht sogar Haß schleichen sich ein. » Dann bricht der Nachbar zu einem langen Ritt auf, überwindet steile Gipfel auf Mauleseln und kampiert im Schnee. « Der Verlassene gibt sich damit zufrieden, » persönlich am Morgen in der Küche den Rahm aus den Händen des Milchjungen in Empfang zu nehmen «. (Wieder Rahm, wie schon im ersten Band, wo es noch Milchmädchen waren, die Marcel begeisterten. Der Beruf dürfte inzwischen ausgestorben sein.) Der zurückgekehrte Alpinist hat inzwischen geheiratet und wird bald Vater. Es gibt keine heimlichen Begegnungen mehr, denn seine Frau begleitet ihn auf Spaziergängen, und er stößt den

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