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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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täglich die Meldungen anderer Leute durch?
    In der Kaufhalle wieder bedauert, daß ich keine Radiergummis benötige.
    Als ich mich gerade zur Arbeit ins Bett gelegt hatte, den Kaffee – ohne etwas zu verschütten – auf dem Bauch balancierend, die zwei Stütz-T-Shirts für das Buch arrangiert, und den ersten Satz zu lesen begann, rief jemand an, der falsch verbunden war, in letzter Zeit meist für eine »Anja Pohlmann«. Bei Männern spürt man richtig, wie wenig sie einem trauen. Beim nächsten Mal werde ich sagen: »Anja Pohlmann ist jetzt mit mir zusammen, wir sind sehr glücklich, und ich soll Ihnen ausrichten, daß Sie es bitte unterlassen sollen, sie zu belästigen, die Jahre mit Ihnen waren für Anja die Hölle.«
    Tag der Technik: Ich bin auf Google Mail umgestiegen, obwohl Google, laut befreundeten Paranoikern, sein Angebot nur eingerichtet hat, um an das Mailkorpus der Nutzer zu kommen. »Die lesen deine Mails!« – als würde mir das etwas ausmachen. Im Gegenteil, dann verschicke ich demnächst meine Texte als Attachement an mich selbst und kann sagen, daß ich Leser in Amerika habe.
    Aus einer Laune heraus noch einmal versucht, den neuen Drucker an den alten Rechner anzuschließen, diesmal aber, bevor ich den Rechner angeschaltet hatte. Wie im Nachhinein nicht anders zu erwarten, hat der Rechner den Drucker erkannt. Offenbar erkennt er neue Hardware nicht, wenn er schon hochgefahren ist. Wieder etwas, was ich mir als Mensch nicht erlauben dürfte, das ist doch, als würde ich Frauen nur bemerken, wenn sie schon morgens beim Aufwachen neben mir gelegen haben und alle anderen in der Wohnung übersehen, selbst wenn sie ganz neu sind.
    Weil heute alles zu klappen schien, habe ich auch noch herausgefunden, wie ich mit ACDSee eine Fotopräsentation machen kann, ohne daß die Bilder automatisch weiterlaufen. Ich habe einfach den »Verzögerungsschalter« auf »10 Tage« gesetzt. Sollte ich einmal einen Diavortrag halten, bei dem ich für die Erläuterungen zu einem Bild länger als zehn Tage brauche, müßte ich mir natürlich etwas anderes überlegen. Vielleicht können neuere, schnellere Rechner ja auch schon zwanzig Tage verzögern. Jetzt bleibt nur noch die philosophische Frage, ob eine Diashow, bei der die Dias alle zehn Tage wechseln, überhaupt noch eine Diashow ist oder nicht schon Kunst.
    Sodom und Gomorra, S. 49–69
    Der zweite Teil von »Sodom und Gomorra« beginnt mit einer Würdigung des von der Abendsonne beleuchteten Obelisks auf der Place de la Concorde, einem Ding, » das wie rosa Nugatmasse anzusehen war «, bis er » schlanker und nahezu elastisch geworden schien «. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
    Immer noch unsicher, ob er auf einen Aprilscherz reingefallen ist, wenn er der Einladung zur Soirée der Prinzessin von Guermantes folgt, betritt Marcel das Palais. Vorsichtshalber hat er sich für Mitternacht mit Albertine verabredet. Dann kann er sich an ihrer Seite » von dem sehnsüchtigen Verlangen […] befreien, das sicherlich in mir viele bezaubernde Gesichter zurücklassen würden «.
    Nun wartet wieder eine Sturmbahn der Peinlichkeiten. Am Eingang steht nämlich ein sogenannter »Beller«, der die Namen der eintreffenden Gäste ausruft. (Ohne zu wissen, mit wem er es zu tun hatte, war dieser vor kurzem auf den Champs-Elysées dem Herzog von Châtellerault begegnet und hatte ihn reizend gefunden: » Alle Gunst, von welcher der Bediente geglaubt hatte, er müsse sie einem so jungen Herrn seinerseits erweisen, hatte er gerade umgekehrt empfangen. «)
    Die Prinzessin hat eine Neuigkeit eingeführt, nach dem Abendessen werden bei ihr die Stühle umgestellt, und die Gäste setzen sich in kleine Gruppen, teilweise einander den Rücken zukehrend. Die Prinzessin gesellt sich kurz und zwanglos zu jeder dieser Gruppen. Die Gäste stehen Schlange, um von ihr begrüßt zu werden: » Zu manchen sagte sie sogar nichts, sondern begnügte sich damit, ihnen ihre wundervollen Onyxaugen zuzuwenden, als sei man nur zu einer Ausstellung kostbarer Steine gekommen. «
    Nun erkennt Châtellerault (allein der unbequem zu tippende Name dürfte verhindern, daß er jemals zum Helden eines meiner Romane wird) zu seinem Schrecken den Beller wieder. Wird der Schlingel Verschwiegenheit wahren? (So eine Angst muß doch auch den Freund dieses Tagesschausprechers gepeinigt haben, daß der sich eines Abends vergißt und vor der Nation sein Schweigen bricht.)
    Danach ist Marcel dran, den Beller und die » furchtbaren

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