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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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Eléonore-Euphrasie-Humbertine de Cambremer, Gräfin von Criquetot «. Vielleicht soll das nur das Bild komplettieren, Versuchung in Maineville-la-Teinturière, die Mahnung des seit der Kindheit geliebten Weißdorns und ein Memento mori aus der Zeitung.
    Schließlich kann er aber nicht mehr anders, er bittet Françoise, nach Albertine zu schicken. Noch liebt er sie nicht, noch hat nicht » das schmerzliche und unaufhörliche Mißtrauen eingesetzt, das ich Albertine gegenüber hegen sollte «. Albertine läßt ihn aber warten, sie muß sich noch frisieren und pomadisieren. Dann erscheint sie heiter gestimmt, und es ist keine Rede mehr von einer vorzeitigen Abreise. Aber Françoise, die personifizierte Unbestechlichkeit der französischen Volksseele, sagt zu ihm: » Monsieur sollte dieses Fräulein nicht sehen. Ich kenne genau ihre Art von Charakter, sie wird Monsieur Kummer machen. « Aber vielleicht ist es ja gerade das, was ihn an ihr reizt.
    Später spielt jemand im Hotel Klavier: » Trotzdem gibt es etwas, was eine Macht besitzt, zur Verzweiflung zu treiben, die nie ein Mensch erreichen wird: das ist ein Klavier. « Er meint mit Verzweiflung sicher die seelische, aber der Satz stimmt auch, wenn man dabei an seine Nerven denkt. Außerdem ist da dieser seltsam impertinente Liftboy, der sich konsequent weigert, die Anstrengung auf sich zu nehmen, die Zimmertür zu schließen, so daß Marcel sie schließlich selbst mit aller Macht zuschlagen muß.
    Albertine hat ihm aufgeschrieben, wann sie bei welchen Freundinnen zu Besuch sein wird. Und immer, wenn er sie dort sucht, scheint er ein wenig abseits des Wegs zu grasen, denn von diesen » entgegenkommenden jungen Kameradinnen « haben ihm in dieser einzigen Saison nicht weniger als zwölf » ihre schmächtigen Reize zur Verfügung gestellt «. Man sehnt sich eben nicht immer mit der gleichen Macht nach Frauen, » nach großer physischer Verausgabung « schweben uns ganz andere Frauen vor » in unserer vorübergehenden senilen Kraftlosigkeit «.
    Als kleine Vorschau wird uns die Szene geliefert, in der sich die schon so oft angedeutete krankhafte Eifersucht endgültig Marcels Herzen bemächtigen soll. Wie immer beginnt alles mit einem Unfall: Mit der Straßenbahn ist er unterwegs zu Madame Verdurin, muß aber wegen einer Betriebsstörung aussteigen. Er trifft Doktor Cottard und geht mit ihm in ein kleines Kasino, wo er Albertine und ihre Freundinnen weiß, die dort » aus Mangel an Kavalieren untereinander tanzten «. Heftiges Verlangen nach Albertine erfaßt ihn in dem Moment, als er sie lachen hört. Andrée tanzt mit Albertine einen Walzer, Marcel ist davon angetan. Der Doktor aber, » der die Sache von dem speziellen Gesichtspunkt des Mediziners ansah und mit einem Erziehungsmangel behaftet war «, meint dazu: » Ja, aber die Eltern sind sehr unklug, daß sie ihre Töchter solche Gewohnheiten annehmen lassen. […] bestimmt befinden sich die beiden jetzt auf der Höhe des Genusses. Es ist nicht genügend bekannt, daß die Empfindung bei Frauen vor allem durch die Brüste geht. Sie sehen ja, wie vollkommen beide sich mit ihren berühren «. Jetzt fällt auch Marcel die » unaufhörliche leise Reibung zwischen denen Andrées und Albertines « auf. Plötzlich klingt ihm ihr Lachen grausam. Und wir merken uns, daß Mißtrauen angebracht ist, wenn zwischen zwei Frauen eine unaufhörliche leise Reibung ihrer Brüste stattfindet. Cottard, der sich neuerdings als Spezialist für Intoxikationen versteht, einer neuen Apothekermode, hat an diesem Abend mit seiner Bemerkung das Gift der Eifersucht in Marcel geträufelt. Man braucht anscheinend immer die Vermittlung Dritter, um angemessen zu leiden.
    Aber das war ein Ausblick, noch ist es nicht soweit, noch bringt ihm die Gewißheit, daß Albertine nicht kommen wird, » eine vollständige Ruhe, eine Erfrischung beinahe «. Überhaupt ist das Angstgefühl solcher einsamer, mit Warten verbrachter Abende oft genug auf irgendein Medikament zurückzuführen und wird von dem Leidenden nur fälschlich als Liebe interpretiert. » Die Liebe entwickelt sich in diesem Fall wie gewisse Erkrankungen aus einer ungenauen Deutung eines peinvollen Unbehagens, einer Deutung übrigens, die klarzustellen nichts nützt, wenigstens nicht, soweit es sich um die Liebe handelt. «
    Katalog kommunikativer Knackpunkte:
    – » Endlich wollte er immer den Eindruck erwecken, er habe in der ersten Sekunde schon alles verstanden, so daß er, sobald man ihm

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