Schmidt Liest Proust
zu kollabieren.
Sie stellt sich dann immer im Profil auf, weil sie so am besten aussieht.
Sie klopft sich die Schuhe ab, bevor sie in den Bus steigt, und sie sagt dem Busfahrer »Guten Morgen«.
Sie hat zu ihrem zehnten Geburtstag in einer Blindenbar ein selbstgeschriebenes Gedicht aufgesagt.
Sie mag keine Schauspieler mit klobigen Nasen.
Sie lernt Gitarre, weil sie in einen Jungen verliebt ist, der auch Gitarre kann. Sie wird von ihm enttäuscht und verliebt sich in ihren Gitarrenlehrer, der die moderne Gesellschaft haßt und sich in ihre beste Freundin verliebt, die ein großes Klaviertalent ist.
Sie will am liebsten Comic-Zeichnerin werden und mag Donald Duck, aber nur von Carl Barks gezeichnet.
Sie kann beim Joggen keine Musik hören, nur »Drei Fragezeichen«, weil sie sonst immer zu atmen vergißt.
Sie trifft nach langer Zeit ihre alten Freundinnen wieder, wundert sich, daß sie sie immer noch mögen, und verschüttet aus Versehen Orangensaft über einem Laptop.
Sie will ein bißchen unglücklich sein.
Sie kennt das letzte Bild von Candy Darling.
Sie findet, daß Mawil immer nur nackte Frauen mit kleinen Brüsten zeichnet.
Sie mag keine Comics mit sprechenden Tieren.
Sie ist genervt, wenn ihre Schwester ständig »König der Löwen« singt.
Sie findet es schön, daß ihre Freundinnen sich daran erinnern, daß sie keine Paprika mag.
Sie mag als einzige den »Mönch am Meer« von Caspar David Friedrich nicht.
Sie ist genervt, wenn ihr Banknachbar bei »Analysis« immer kichern muß.
Sie läuft am Strand einem wildfremden Jungen hinterher, weil er aussieht wie Jim Morrison, und teilt ihm mit, daß sie ihn im Lauf dieser Woche noch küssen wird.
Sie bekommt manchmal Angst, wenn ein Junge, in den sie eigentlich verliebt war, ihr plötzlich vorkommt wie von einem anderen Stern.
Sie mag keine Milch, keinen Pfeffer und bei Joghurt nur solchen mit gelben Früchten.
Sie schreibt eine Facharbeit über die Rezeption der Psychoanalyse bei David Lynch.
Sie wird ohnmächtig, wenn sie Blut sieht, auch im Theater. Die anderen Zuschauer denken dann, sie schläft.
Sie wünscht sich, daß jemand ihr ein Minnelied schreibt.
Sie putzt ihr Bad und hört dabei ein Hörbuch über Timothy Leary.
Sie spielt »Bomberman« auf dem Gameboy.
Sie weint, wenn sie Ärzten von ihren körperlichen Leiden erzählen muß.
Sie zuckt beunruhigend mit den Händen, weil sie immer eine bestimmte Tonfolge im Kopf hat, die sie mit den Fingern nachspielt.
Sie fragt sich, warum sie so gerne andere Menschen ärgert.
Sie hat als einzige in ihrem Bekanntenkreis keinen Führerschein.
Sie hat einen kleinen Bruder, der das Mädchen, in das er verliebt ist, beim Spazierengehen vor jedem Bordstein hochhebt und unten absetzt. Das Mädchen findet deshalb, er sei eine Klette, und sie muß ihren Bruder trösten.
Sie gibt einem Mädchen Französischnachhilfe, das ihr immer von ihrem Pferd und dem Reitstall erzählen will.
Sie kann sich nicht mehr erinnern, wie es war, zum ersten Mal mit einem Jungen zu schlafen.
Sie besucht jeden Mittwoch ihre Oma, bringt ihr eine Überraschung mit und liest ihr aus der Biographie von Günter Grass vor, wobei sie sich über dessen Stil ärgert. Ihre Oma legt ihr immer einen Schokoladentaler auf einen Teller, den sie ihr aufgehoben hat, obwohl sie Schokolade selber so gerne mag. Sie sieht genauso aus wie ihre Oma.
Wenn sie verliebt ist, stellt sie sich vor, wie sie unter seinem Bett liegt und die Unterseite vom Lattenrost beim Einatmen ganz leicht ihren Bauch berührt.
Sie hatte mit zwölf viele Pickel, die ihr Vater, um sie zu trösten, mit Photoshop retuschiert hat.
Sie behauptet, riechen zu können, wenn im Essen Salz fehlt.
Sie kann nicht mit Geld umgehen.
Sie fragt sich, warum niemand mehr mit Füller schreibt.
Wenn sie sich mit einem Jungen verabredet, gibt es einen Orkan, und sie kann nicht aus dem Haus.
Sie bekommt seine Adresse heraus, schleicht in sein Treppenhaus und betrachtet seine Tür, um zu sehen, durch was für ein Treppenhaus er läuft und was er dabei denkt.
Sie tauscht in Gesprächen gerne unauffällig die Position, um zu sehen, was der andere die ganze Zeit in seinem Blickfeld hatte.
Sie wirft gerne die Frage »Hat wer eine kleine Patrone?« in den Raum, obwohl sie weiß, daß inzwischen alle mit Kuli schreiben.
Sie mag es, wenn in der Oper fünfstimmig gesungen wird.
Sie spricht in Comicläden immer den Typen an, der keine Ahnung hat und sie zu dem anderen schickt, der aber
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