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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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und fühle, wie es mich in alle Richtungen gleichzeitig zerreißt. Man kann direkt froh sein, daß die Raumfahrt noch nicht so weit ist, das Gewächs unserer Nostalgien auch nach anderen Galaxien wuchern zu lassen.
    Rubin Kasan – FC Parma 0:1 (0:0)
    Nach Kasan sind bei meinem zweiten Moskauaufenthalt einige der anderen Studenten gefahren. Ich war vermutlich erkältet oder in Vokabeln vertieft, jedenfalls habe ich die Exkursion verpaßt und denke deshalb oft an Kasan.
    Levadia Tallinn – Newcastle United 0:1 (0:1)
    Nach Tallinn wollte Anfang der Neunziger ein polnischer Mitstudent mit mir fahren, ich kannte ihn nur flüchtig und habe ihn nie wiedergetroffen. Inzwischen sieht es dort vermutlich ganz anders aus. Schade, daß sie nicht gewonnen haben.
    Legia Warschau – Austria Wien 1:1 (1:1)
    In Warschau bin ich das erste Mal allein im Ausland gewesen, es gab Saft aus kleinen Plastetüten zu kaufen. Ich nehme mir immer vor, endlich noch einmal mit dem Zug nach Warschau zu fahren, es liegt ja so nah. Aber eher würde wohl ein Zug von Warschau zu mir fahren.
    Slovan Liberec – Roter Stern Belgrad 2:0 (1:0)
    In Liberec haben wir mit der Klasse einen Berg bestiegen. Die schöne, blonde Kellnerin vom Panoramarestaurant hat uns ignoriert. Jetzt haben sie also gegen Belgrad gewonnen, eine der Städte, in denen ich gerne länger geblieben wäre, schon weil es dort ein Hotel gab, das »Moskau« hieß.
    AO Xanthi – Dinamo Bukarest 3:4 (2:3)
    In Bukarest habe ich mich die ersten beiden Nächte übergeben. Tagsüber habe ich auf sie eingeredet, weil mir plötzlich mein halbes Leben wieder einfiel.
    Chernomorets Odessa – Hapoel Tel Aviv 0:1 (0:0)
    Um das Stadion von Chernomorets bin ich in diesem Sommer jeden Tag gelaufen, es roch dort nach Pferden. In Tel Aviv wohnt Udi, der Experimentalpsychologe, der gesagt hat: »True love exists, we see it on our monitors«.
    Start Kristiansand – Ajax Amsterdam 2:5 (1:2)
    In Amsterdam habe ich mich nur einmal wohl gefühlt, als es regnete und ich gezwungen war, statt weiter zwischen urinierenden Engländern herumzuirren, im Café Kattoen zu bleiben und zu schreiben.
    Lokomotive Moskau – SV Zulte-Waregem 2:1 (1:0)
    Vor Moskau habe ich keine Angst mehr. Aber auch das hatte seinen Reiz.
    Artmedia Bratislava – Espanyol Barcelona 2:2 (2:1)
    In Barcelona weckte uns drei Wochen lang ein Mann, der durch die Gassen ging und »Tan« rief, als suche er seinen Hund. Aber er brachte nur die Butangas-Flaschen, die man wegen der engen Treppenhäuser an einer Schnur in die Wohnung zog.
    Besiktas Istanbul – ZSKA Sofia 2:0 (0:0)
    In Istanbul gab es auf der Fähre nach Asien Ayran. Alle Stadtviertel hießen wie türkische Fußballklubs. In Sofia habe ich mich manchmal mehr zu Hause gefühlt als in Berlin.
    AZ Alkmaar – Kayserispor 3:2 (2:1)
    Auf dem Weg nach Lunteren sind wir in Alkmaar umgestiegen, niemand kannte den Ort. Der Bahnhof war zu einem Möbelgeschäft umgebaut worden. Alles war hübsch. Das Banale störte nicht, weil wir nicht in Deutschland waren.
    FC Basel – Rabotnicki Skopje 6:2 (4:0)
    Zu Silvester sahen wir in Sofia fern, es gab auch einen Sender aus Skopje, wo sie es schafften, noch exotischer zu wirken als in Bulgarien. In Basel bestieg ich zum ersten Mal einen ICE. Die Scheiben wirkten wie Panoramafenster, durch die man den Sonnenuntergang sah. Man konnte die Schuhe ausziehen und auf Teppichboden laufen. Ich war vier Wochen mit dem Fahrrad durch Europa gefahren, jetzt rauschte draußen eine Tagesstrecke vorbei. Ich genoß den Luxus und war doch ein wenig traurig.
    Slavia Prag – Tottenham Hotspur 0:1 (0:1)
    In Prag gab es Hörnchen, Streichkäse, eine Dire-Straits-Platte und einen Zeltplatz voller Sachsen.
    Sporting Braga – AC Chievo Verona 2:0 (1:0)
    Vom Garda-See nach Verona war es nicht weit. Es war dort viel zu windig zum Zeitunglesen. Wenig später gründeten wir die »Chaussee der Enthusiasten«.
    Dinamo Zagreb – AJ Auxerre 1:2 (0:1)
    Von Zagreb fuhr der Bus nach Sarajevo, ich war sehr ängstlich und hatte ein paar Stunden Aufenthalt. Es war so neblig, daß ich nichts von Zagreb sah. In Wirklichkeit sah ich vielleicht viel mehr.
    Wisla Krakow – Iraklis Saloniki 0:1 (0:1)
    In Krakau hatte ich einen Balkon aus Holz und hörte in meinem stillen Hinterhof die Tauben gurren. An dieser Stadt hat mich nichts gestört.
    Maccabi Haifa – Litex Lovech 1:1 (1:0)
    In Lovech ist Steffka zur Schule gegangen. Ihre Zimmernachbarin im Internat sprang abends immer auf dem Bett

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