Schmidt Liest Proust
immer so entmutigend, wenn etwas nicht funktioniert, man möchte dann gleich alles hinschmeißen und sich für immer aus der Welt zurückziehen. Ich habe einen billigen Drucker, der, obwohl ich den Druckkopf mit einem speziellen Reinigungsset behandelt habe, den Schwarz-Weiß-Druck ganz eigen interpretiert – indem er nämlich manche Zeilen schwarz druckt und manche weiß –, außerdem habe ich einen teuren, den der Computer an seinem USB-Port nicht erkennt. Nun hätte ich fast für diesen Rechner, mit dem ich ins Internet gehe und nur wenig drucke, einen neuen Drucker gekauft, aber im letzten Moment fiel mir ein, daß der Rechner diesen an seinem USB-Port ja auch nicht erkennen würde. Also müßte ich entweder einen alten Drucker mit Parallelschnittstelle auftreiben oder mir statt eines Druckers für 39 Euro einen USB-Centrino-Adapter für 29 Euro besorgen, was doch absurd ist. Momentan kann ich meine Mails nicht ausdrucken und muß dauernd mühsam aussortieren, damit es weniger als 490 sind, weil mir sonst mein Mail-Provider alle paar Minuten schreibt, daß meine Mailbox bald voll ist, wodurch sie dann tatsächlich bald voll ist. Ich bin also gezwungen, meine Post der letzten vier Jahre immer wieder durchzusehen, um doch noch eine Mail zu finden, auf die ich verzichten kann, was natürlich immer schwerer wird, und es quält mich, dauernd Gott spielen zu müssen und ganze Existenzen aus meinem Archiv zu löschen, Menschen, die sich als temporäre Erscheinungen in meinem Leben erwiesen haben, von denen ich aber doch wenigstens eine kleine Erinnerungsmail aufbewahren wollte. Ich könnte die Mails kopieren und am anderen Computer ausdrucken, der den teuren USB-Drucker (der nach wenigen Monaten im Laden schon nur noch die Hälfte kostet) erkennt, aber dazu kann ich mich nicht entschließen, weil ich ja einen funktionierenden Drucker besitze, den ich dank meiner USB-Kabel-Verlängerung problemlos an den Internet-Computer anschließen könnte, wenn dieser ihn nur erkennen würde. Und weil er das eigentlich müßte, lehne ich es ab, die Hoffnung aufzugeben und probiere jedes Mal, wenn ich den Rechner anschalte, noch einmal aus, ob es nicht doch funktioniert, was mich immer eine Stunde kostet. In keiner anderen Branche könnten es sich die Hersteller erlauben, Produkte anzubieten, für deren Inbetriebnahme der Kunde jedesmal eine halbe Woche braucht. Bei Lebensmitteln regt man sich über ein bißchen verdorbenes Fleisch auf, das bisher noch niemandem in seinem Essen aufgefallen ist, aber bei Computern wird die überall angebotene Gammeltechnologie allgemein akzeptiert. Daß es eine Zeit in meinem Leben gab, in der ich von Computern fasziniert gewesen bin, ist mir heute unverständlich.
Die Welt der Guermantes, S. 210–231
Die arme Rahel wird von Marcel nicht geschont. Als sie hinter den Kulissen zu ihr stoßen, macht sie für ihn einen » Prozeß der Zerstörung durch «. Er vergleicht ihr Gesicht mit dem Mond, auch der zeige aus der Nähe » Protuberanzen, Flecke und eingekerbte Rinnen «.
Diesmal ist es ein Tänzer, der Saint-Loup eifersüchtig macht. Er übt für eine Balletteinlage und wirkt zwischen den anderen Herumstehenden » erfrischend wie der Anblick eines unter eine Menschenmenge verirrten Schmetterlings «. Saint-Loup droht damit, Rahel das Kollier doch nicht zu schenken. Sie deutet das als Erpressung. Damit ist das eigenartige Verhältnis zwischen Schenkendem und Beschenktem angesprochen, von dem Adorno schreibt: »Die Spende ist mit Demütigung durch Einteilen, gerechtes Abwägen, kurz durch die Behandlung des Beschenkten als Objekt notwendig verbunden.« Davon kann er sich ja eigentlich nur freisprechen, wenn er mit seinem Geschenk wartet, bis sie wieder getrennt sind.
Sie kennt keine Gnade, mit einem Blick auf » Roberts verzerrte Züge « macht sie Bemerkungen über die kleinen Hände des Tänzers. Eigenartigerweise hat Robert, obwohl er wegen ihr rot anläuft, die Ruhe, den » drei Journalisten «, die bei ihnen stehen, nahezulegen: » Würden Sie wohl die Güte haben, mein Herr, Ihre Zigarre wegzuwerfen, der Rauch schadet meinem Freund. « Solch eine Aufmerksamkeit von Seiten meiner Freunde habe ich noch nie erlebt. »Würden Sie wohl die Güte haben, die Musik leiser zu stellen, die lärmende Vierergruppe vom Tisch neben dem Eingang rauszuwerfen, ihre Frisur zu überdenken, das Milchschaumgerät in den Keller zu verbannen und die Luft von herumfliegenden Pollen zu reinigen, denn all das schadet
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