Schmidt Liest Proust
für eine arrogante Schnepfe, aber für Marcel sicher ein lohnendes Kapitel in der hierarchisch aufsteigenden Biographie seines Begehrens. Man darf gespannt sein, wen dieses sich als letztes und höchstes zum Objekt wählen wird, vielleicht ein Auto?
Zu sich lädt Madame de Guermantes übrigens nur Männer ein, die sie interessant findet, und verbittet sich, daß diese ihre Gattinnen mitbringen, » da ihre immer mehr oder weniger vulgären Frauen in einem Salon, in dem nur die elegantesten Schönheiten von Paris auftraten, störend gewirkt hätten «. Der Herzog erklärt das den verwunderten Ehemännern damit, daß seine Frau » die Gesellschaft von Frauen nicht ertrage, fast als handle es sich um eine ärztliche Vorschrift oder als erkläre er, sie könne nicht in einem Zimmer sein, in dem es nach etwas Bestimmtem rieche, nichts stark Gesalzenes essen, in der Bahn nicht rückwärts zur Fahrtrichtung sitzen oder unmöglich ein Korsett an sich haben «.
Solange sie die entstehende Lücke mit eleganten Pariser Schönheiten auffüllt, ist das ja keine schlechte Einladungspolitik, leider vernachlässigen heute viele weibliche Geburtstagskinder diese Aufgabe und man findet sich immer zwischen lauter interessanten Männern wieder, was dann gar nicht so interessant ist, weshalb man verzweifelt Ausschau nach ihren mehr oder weniger vulgären Frauen hält.
Sie ist durchaus geistvoll und » entfaltete gerade eine besondere Eleganz darin, in Anwesenheit eines Dichters oder Musikers nur von den Gerichten zu sprechen, die aufgetragen wurden «. Ist einmal ein großer Dichter geladen, redet er am Ende kein Wort von der Dichtkunst, sondern ißt ununterbrochen, was die anwesenden Zaungäste enttäuscht, die auf seine Orakelsprüche gehofft hatten. Aber den Dichtern ist es so am liebsten.
Unklares Inventar:
– Der Herzog von Aumale, der Herzog von Broglie, die Prinzessin von Poix, Montalembert, Monseigneur Dupanloup, Coysevox, Joubert, Marie Rohan (Herzogin von Chevreuse), Herr von Luynes, Madame Ristori, Madame de Beaulaincourt, Madame de Chaponay, die Herzogin von Aosta, Madame de Montmorency, die Prinzessin von Parma, die Fürstin von Sagan, Augier, Meilhac, Halévy, die Prinzessin von Mecklenburg, Hannibal de Bréauté-Consalvi.
Verlorene Praxis:
– In Gegenwart seiner Gäste Moosrosen, Zinnien und Venushaar aquarellieren.
– Einen rauhen Ton von sich geben, der bedeutet, daß man pflichtschuldigst lacht.
67 . Mo, 25.9., Berlin, abends, heiter, mild
Dieser Film war wieder ein gutes Beispiel. Eine Geschichte, die sich ganz logisch aus der Anfangskonstellation ergibt und deshalb langweilt. Ein Mann, im größten Gestank geboren, der zu einer miserablen Existenz verurteilt scheint, aber eine Gabe hat: seinen Geruchssinn. Dafür stürzt er alle ins Unglück, die ihm begegnen, denn wie im Märchen muß man für seine Gabe bezahlen. Er kann zwar bezaubern, aber nur durch seine Kunst, er selbst ist gefühllos beziehungsweise geruchlos (logisch), obwohl er die erlesensten Gerüche zu komponieren versteht. Echte Leidenschaft empfindet er nur für seine Kunst, also für das Flüchtigste an den Dingen, ihren Geruch, der ihre Essenz enthält. Am Ende kann er die Menschen mit seinem Werk verführen, sogar den Vater seines letzten Opfers zwingt er durch sein Parfüm, ihn zu lieben. (Ein Höhepunkt der Verführungsmacht, wie er logischer nicht sein könnte.) Aber sie lieben ja nur seine Kunst, nicht ihn, und deshalb beschließt er zu sterben und läßt sich am Ort seiner Geburt (wo sonst?) von den Aussätzigen fressen, um spurlos zu verschwinden.
Die Handlung kannte man schon aus den Kritiken. Aber ob der Film nun in Schwarz-Weiß gedreht worden wäre, als MTV-Clip oder als Dogma-Film, es hätte nichts geändert, denn bis auf den Plot war alles austauschbar. Ein Roman, der die Forderungen der Filmdramaturgie erfüllt, der sein Thema schulbuchmäßig durchdekliniert, aber was als Text vielleicht sogar Stoff für eine Fabel ergeben würde, wirkt als Film so spannend wie ein neunzigminütiger Werbetrailer für ein Haarwasser. Man hätte bei der Ausstattung viel Geld sparen können, denn daß man sich in »Frankreich« befand, wurde ja schon, wie immer in deutschen Synchronfassungen, aus der Tatsache deutlich, daß die Töchter ihre Väter »Papá« nannten.
Zeitung: Daß Haile Gebrselassie den linken Arm so eng am Körper halte, sei eine Angewohnheit aus Schülerzeiten. Als er täglich zehn Kilometer zum Unterricht laufen mußte,
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