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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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daß sie Jonwieder zum Partner machen! Wie lange ist das her? Zwei, drei Jahre? Es war die Zeit, als ihr, du und Jon, euch getrennt hattet.
    Du weißt es wirklich nicht?
    Er schüttelte den Kopf.
    Denk mal scharf nach. Immer noch nicht? Ich helfe dir. Damals nach dem Thanksgiving-Essen hast du sie angebaggert und keine Taten folgen lassen. Dann, als wir alle nach Bridgehampton kamen und du krank geworden bist, blieb sie bei dir, damit du nicht allein bist, während wir, Jon und das Arschloch Myron und ich spazierengingen. So ein Schwachsinn! Also, du lagst im Bett, und sie gab dir Zungenküsse und faßte deinen Schwanz an. Und du? Wieder nichts. Damals nicht und danach auch nicht. Das hat sie wahnsinnig gemacht! Sie hat dir sogar erzählt, daß sie einen Kerl zum Ficken hatte und daß Myron Bescheid wußte, damit du begreifen würdest, daß die Bahn frei war. Wie begriffsstutzig kannst du eigentlich sein?
    Ach du Schreck! Sie ist gestört. Was für ein Blödsinn. Und warum erzählt sie dir davon? Warum haßt sie mich deshalb? Steckt dahinter so was wie Die Hölle lodert nicht so heiß wie die Rache einer verschmähten Frau ?
    So kann man es wohl ausdrücken. Sie hat es mir nicht gleich erzählt, nicht sofort, nachdem es passiert war. Sie hat es aufgespart, bis sie wollte, daß ich wieder zu Jon ziehe, und bis du in die Luft gegangen bist und Jon zwingen wolltest, die Wohnung zu räumen und Appartement plus Haus in Claverack auf meinen Namen zu überschreiben. Das hat wirklich beide zur Weißglut gebracht, Mutter und Sohn. Ihre Idee war, mir zu erklären, daß du immer versucht hast, Jon hinterrücks zu erdolchen, weil er Jude ist, und daß dich außerdem Schuldgefühle plagen, weil du sie angebaggert hattest, und daß diese Schuldgefühle in Aggression umgeschlagen seien. Daß umgekehrt sie dieSchuldgefühle hatte und aggressiv war, hab ich erst sehr viel später begriffen, als sie mit dem Scheißdreck wegen der Enkelkinder anfing.

XXI
    Daß Charlottes Heilungsprozeß stetig war und sich gegen Ende des Jahres sogar beschleunigte, konnte Schmidt weniger nach Augenschein beurteilen – er sah Charlotte nur selten, da sie weiter darauf bestand, daß er sich »aus ihrem Fall heraushalten« solle – als anhand der Telefonate, in denen sie ihre Wünsche oder besser ihre Forderungen äußerte, nämlich Geld und Beistand im Krieg gegen Jon Riker. Es dauerte nicht lange – vielleicht zwei oder drei Wochen nachdem er sie in einem sonnigen Zweizimmer-Appartement in einem schicken Block im West Village untergebracht hatte –, bis sie sich entschied, nicht zu Jon zurückzukehren. Ein paar Tage danach rief sie an und erklärte, sie wolle sich scheiden lassen. Nein, sie würde nicht stillhalten und mit diesem Mistkerl oder seiner widerlichen Mutter irgendwelche Phrasen über Versöhnung dreschen, mit dem Schwachsinn sei Schluß. Das alte Lied kenne sie. Scheidung und Rückgabe ihres Eigentums waren ihre bedingungslosen Forderungen: Ein Satz, den Schmidt ihr in der Vergangenheit vergeblich nahegelegt hatte, daß nämlich ein Grundbesitz, den sie mit dem Geld ihres Vater erworben habe, von Rechts wegen ihr Eigentum sei, dieser Satz hatte plötzlich die blendende Kraft einer Offenbarung. Ja, sie sei bereit, die Hypothek auf das Grundstück in Claverack, für die sie und Jon gemeinsam verantwortlich waren, allein zu bedienen und das Darlehen zurückzuzahlen, das sie zusammen aufgenommen hatten, um das fehlende Geld für den Kauf des Appartements aufbringen zu können – besonders wenn Schmidt ihr das Geld für die Ablösung der Hypothekund die Rückzahlung des Kredits gebe –, aber abgesehen davon werde sie keinen Heller zahlen. Schmidt riet ihr, sich wieder an Joe Black zu wenden, den Scheidungsanwalt, den er empfohlen hatte, als sie und Jon sich zum erstenmal trennten. Black kannte sie, und er kannte die Rikers. Ihn auf Trab zu bringen kostete nicht viel Zeit. Wie Black und Schmidt ihr unabhängig voneinander erklärten, war das Problem, daß es im Scheidungsrecht des Staates New York keine verschuldensunabhängige Scheidung gab; dieser Staat sei der einzige in den USA, der immer noch Beweise für Ehebruch, böswilliges Verlassen oder grausame und unmenschliche Behandlung verlange. Beim letzten Streit sei klar gewesen, daß Jon Ehebruch begangen und daß sie dieses Fehlverhalten nicht geduldet habe. Diesmal habe sie keinen Beweis für einen Ehebruch. Man könne sich vielleicht einen verschaffen; es gab diskrete, auf solche

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