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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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untrennbar verbunden war mit ihrem Willen, die Lust gerecht mit ihm zu teilen. Sie liebten sich in seinem Hotel; sie zog es vor, hinterher nach Hause zu gehen, statt ihn wegschicken zu müssen, bevor er mit Madame Laure zusammentreffen konnte. Nicht daß ich ihr verbergen kann, wie es steht, fügte sie heiter hinzu, und genaugenommen fragte sich Schmidt, warum es für diese schätzenswerte Haushälterin leichter sein sollte, feststellenzu müssen, daß Alice jede Nacht um zwei Uhr oder noch später heimkam – weil sie meistens eine oder zwei Stunden in seinem Bett, mit dem Kopf auf seiner Brust schlief –, als sich mit seiner Anwesenheit beim Frühstück abzufinden. Zweimal aßen sie zusammen zu Mittag, in der Nähe ihres Büros an der Rue de l’Université, an den anderen Tagen hatte sie diese Arbeitsessen. Er nahm die Gewohnheiten seiner Studentenzeit wieder auf, die Museumsrunden, die langen Spaziergänge, die Imbisse – ein hartgekochtes Ei oder ein Sandwich an der Theke eines Cafés.
    An einem der Tage, an denen Alice keine Zeit hatte, aß er auf Vorschlag von Hugh Macomber, einem jüngeren Partner, der das Pariser Büro der Firma leitete und den er kannte und schätzte, mit den Anwälten von W & K zu Mittag. Anschließend, auf dem Rückweg zum Büro, ging er mit Macomber voraus und hörte sich fragen, ob das Büro die Mandanten, die Tim Verplanck akquiriert hatte, habe halten können. Zum größten Teil, meinte Macomber, aber das sei nicht sein Verdienst, sondern seinem Vorgänger Bud Horsey zuzuschreiben, dem unmittelbaren Nachfolger Tims. Anscheinend kam es dabei sehr auf den guten Willen von Bruno Chardon an, sagte er, Chardon, das ist der Investmentbanker, Tims Kumpel, ein ziemlicher Paradiesvogel. Horsay hat sich sehr um Chardon bemüht.
    Und Sie?
    Ich bin eher nachlässig gewesen, erwiderte Macomber. Er paßt nicht so ganz zu uns. Ob Mandanten abwandern werden, kann man jetzt noch nicht sagen, es ist noch zu früh.
    Paßt nicht zu uns, was meinen Sie damit? hakte Schmidt nach.
    Ach wissen Sie, er hat etwas Schillerndes, wie ein Paradiesvogel, das habe ich schon gesagt. Molly – meine Frau, ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern – hat ein ungutes Gefühl. Ich denke, wenn Sie ihm begegnen würden, wüßten Sie sofort, was ich meine, verstehen Sie, wenn Sie seinen Stil sehen würden. Lew Brenner kennt sich aus, und er hat mir gesagt, ich solle mein Bestes tun, müsse mir aber kein Bein ausreißen. Und selbst wenn ich es versuchte, würde es wahrscheinlich auch keinen großen Unterschied machen.
    Verstehe, sagte Schmidt, Tims Witwe sehen Sie wohl nicht oft, nehme ich an.
    Macomber schüttelte den Kopf. So gut kennen wir sie nicht.
    Gegen Ende der Woche kündigte Alice eine Planänderung an. Ihr Kollege Serge Popov, der mit einem seiner Autoren auf einer Lesereise in England war, werde Freitag zurücksein und habe gefragt, ob sie an diesem Tag mittags zu dritt zusammen essen könnten.
    Ist das wirklich seine Idee, sagte Schmidt, und nicht deine?
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß er einen Funken mehr Lust hat, mich zu sehen, als ich ihn, hätte er fast gesagt, aber er beherrschte sich.
    Ja, es ist seine Idee, versicherte sie ihm, er hat mir erzählt, daß dein Name so viele Erinnerungen in ihm weckt. Bitte sag ja. Es wäre um ein Uhr. Oh, und noch etwas. Der Freundin meines Vaters geht es nicht gut, und er ist sehr besorgt. Ich muß Freitag nachmittag nach dem Lunch zu ihm hinunterfahren.
    Das tue ihm doppelt und dreifach leid, sagte er, leid für ihren Vater, für die Dame und seinetwegen. Er werde dann auch am Freitag abreisen, den späten Flug nach New York nehmen, wenn er noch einen Platz bekomme. Sie saßen beim Essen im Innenhof seines Hotels, der Abend war schön, und sie hatten gerade den Nachtisch verzehrt, die ersten Walderdbeeren der Saison, wie sie ihm erklärte. Daß er von seinem Aufenthalt den Sonntag und den größten Teil des Samstags abschneiden mußte, machte ihn traurig, eine irrationale Reaktion, sagte er sich und wandte sich wieder den Plänen zu, an denen er gearbeitet hatte. Ob es ihr lieb wäre, wenn er in einem Monat wiederkäme, würde sie dann dasein?
    Sie nickte. Ja, das wäre mir sehr lieb.
    Und würdest du mich im Sommer in Bridgehampton besuchen? Dort Ferien machen? Jederzeit – und solange du bleiben kannst. Am besten für immer!
    Etwas wie ein leichter Wolkenschatten glitt ihr übers Gesicht.
    Ich weiß nicht, antwortete sie. Vielleicht muß ich hierbleiben, um

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