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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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hatte gesagt, laß uns darüber reden, aber nicht jetzt, sie hatte seine Telefonnummer, sie wußte, daß er einen Anrufbeantworter besaß und die Nachrichten abhörte und ohnehin meistens zu Hause war. Sollte sie doch anrufen. Den Unnahbaren konnte auch er spielen. Wie lang sich das Spiel hinziehen werde, fragte er sich nicht, aber die wahrscheinliche Antwort: so lange, wie er durchhielt, bedeutete, daß es wohl nur ein kurzes Spiel wurde. Bald nach dem Frühstück kam tatsächlich ein Anruf aus Paris, allerdings von Mike Mansour, der ausgezeichneter Stimmung war. Iß mit mir zu Mittag, sagte er. Nur wir beide. Paßt dir Freitag? Ich treffe am Abend vorher wieder ein. Und komm am Sonntag abend zum Dinner. Ich lade die schöne Caroline Canning ein, ihren komischen Mann und die Blackmans. Was meinst du? Ich finde, es ist ein gutes Programm.
    Was sollte Schmidt schon sagen? Er würde – in Alices Worten – in der Gegend sein. Er sagte zu.
    Der nächste Anrufer war Myron Riker.
    Schmidtie, sagte er, ich dachte mir, du würdest gern erfahren, daß Charlotte zu Hause ist. Ich bin dir dankbar, daß du alles für die Entlassung vorbereitet hast, damit es Jolanda leicht hätte, aber am Ende habe ich doch meinen Patienten abgesagt und bin selbst in die Klinik gefahren. Für die Regelungen mit den Pflegeschwestern bin ich dir erst recht dankbar, mehr, als ich in Worte fassen kann. Von Charlotte höre ich, daß beide, die Tag- und die Nachtschwester, sehr kompetent und sehr nett sind. Deine Großzügigkeit ist überwältigend; du hast Abertausende von Dollars bezahlt. Pflege rund um die Uhr ist so schrecklich teuer.
    Schon gut, erwiderte Schmidt. Ich bin froh, daß alles in Ordnung ist.
    Myron ließ ein Umhm hören und fuhr fort: Ehrlich gesagt, finde ich nicht, daß alles in Ordnung ist. Charlotte hat sich sehr schlecht benommen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Aber ich möchte, daß du meine Meinung dazu kennst, was immer sie wert ist: Ich finde, du hast dich wie ein guter Vater und ein Gentleman verhalten. Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist, und ich möchte, daß du weißt, wie leid es mir tut.
    Jetzt ist es an mir, mich zu bedanken, sagte Schmidt. Das ist das erste freundliche Wort von – wie soll ich mich ausdrücken – von eurer Seite. Die arme Charlotte ist nicht bei sich. Ich vermute, ihr kann man alles verzeihen. Aber schau, ich will ganz offen sein. Ich glaube nicht, daß Charlotte das, was sie jetzt sagt, auch sagen würde, wenn Renata es ihr nicht eingeredet hätte. Das kann ich nicht verstehen. Was meinst du dazu? Warum macht sie das? Was, glaubst du, geht hier vor?
    Wieder hörte man Umhm. Dann sagte Myron, sehr langsam: Renata hatte es in letzter Zeit auch sehr schwer, aus Gründen, die mit ihr selbst, und anderen, die mit Jon zu tun haben. Manchmal passiert es sogar sehr guten und erfahrenen Analytikern wie Renata, daß sie ihr Privatleben mit ihrem Beruf vermischen. Sie fallen aus ihrer Rolle. Sie lassen sich darauf ein, impressionablen Menschen gewisse Konstruktionen zu suggerieren. Ich denke, das ist hier passiert.
    Du willst mir doch nicht sagen, daß Renata Charlotte behandelt?
    Natürlich nicht. Aber sie ist so mit ihr verbunden, daß die Übertragung und die Impressionabilität auf seiten Charlottes fast die gleichen sind wie während einer Analyse.
    Und was soll man jetzt tun?
    Ich hoffe, daß Jon bald wieder Boden unter den Füßen hat. Das würde helfen. Charlotte wird sich physisch bald erholen. Das wird auch helfen. Ich will versuchen, Renata zu überzeugen, daß sie mehr Distanz zu Jon und Charlotte und zur Ehe der beiden halten muß. Wir sollten wieder darüber sprechen, aber zuerst etwas Zeit vergehen lassen.
    Das Mittagessen wurde auf der Terrasse serviert, der Tisch stand unter zwei römischen Sonnenschirmen. Der Ozean war flach, der Strand leer, die Sonne stand im Zenith, und Mr. Mansour prangte in einem marineblauen Seidenhemd und gelben Seidenhosen. Die Hemdsärmel waren aufgekrempelt, aus Gründen der Bequemlichkeit und vielleicht auch, damit man die kräftigen Unterarme des Finanzmagnaten und die hauchdünne Piaget-Uhr an seinem linken Handgelenk sehen konnte. Das rechte Handgelenk war von einem Kupferreifen umschlossen. Warum glaubten alle reichen Leute – jedenfalls alle, die Schmidt kannte – an die magische Kraft solcher Armbänder? Mansour war barfuß. Seine Hände waren emsig mit den Betperlen beschäftigt.
    Keine Schuhe, sagte er, als er Schmidts Blick nach

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