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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Ausrüstung vom Parkplatz Curry Village zu dem Wohnzelt geschafft, das er (unnötigerweise) vor drei Wochen gemietet hatte. Er untersuchte den Bau. Eine erhöhte Holzplattform, die mit oft geflicktem weißen Segeltuch bedeckt war, einsam inmitten von Bäumen nahe am Geröllhang von Glacier Point. Die einzige Glühlampe gab ausreichendes, wenn auch nicht helles Licht, und die zwei Metallbetten mit Militärdecken waren in gutem Zustand und bequem.
    Er folgte der Straße entlang den Läden von Curry Village und über eine Steinbrücke quer durch die Wiese. Eine Amsel mit roten Schwingen in einem nahen Gebüsch nahm Anstoß an seiner Gegenwart. Er grinste und versuchte freundlich zurückzuzirpen, aber der Vogel mochte seine Anbiederungen nicht. Aber das spielte keine Rolle. Er wußte, daß er genau so hierher gehörte wie der Vogel.
    Mitten von einer Wiese aus, umgeben von Grasbüscheln, drehte er sich und betrachtete seine neue Welt. Das Tal war dunkel und still. Der tiefe dunkelblaue Abendhimmel schwebte auf bewegungsloser Luft. Er hörte die entfernten Echos lachender und plaudernder Menschen, deren Stimmen von den Granitwänden des Glaciers Point und Sentinel Rock und den Royal Arches auf der anderen Seite des Tales zurückgeworfen wurden. Am Fuße der Royal Arches konnte er die Lichter des Ahwanee Resort Hotels erkennen. Einige hundert Meter westlich verrieten Lagerfeuer und elektrische Lampen die Ausdehnung von Yosemite Village.
    Er und seine Eltern hatten in der letzten Nacht ihrer Reise im Ahwanee geschlafen, nachdem sie eine Woche in Zelthäusern verbracht hatten. Er wußte immer noch nicht, ob er das auch tun würde, wenn das Ende nahte.
    Höchster Friede.
    Wie würde es wohl den Menschen in der Welt gehen, wenn sie alle ihr Leben in einer solchen Form von Schönheit verbringen könnten? Waren Menschen so wertvoll, daß fast jede Begegnung kostbar war?
    Er schaltete seine Handlampe an und leuchtete nach vorn, als er zu den Zeltkabinen zurückkehrte. Auf einem oben abgeflachten Granitblock stellte er seinen Coleman-Ofen auf und einen Topf mit Wasser. Er bereitete sich ein schnelles Abendessen aus einer Dosensuppe, in die er zu den Nudeln noch eine Zwiebel und ein Würstchen tat.
    Im Dunkeln ging er zu den Duschen, nur mit einem grauweißen knielangen Bademantel bekleidet, das Rasierzeug in der Hand. Ein Eichelhäher hüpfte neben ihm her und wartete auf runterfallende Krumen. »Es ist dunkel«, sagte er zu dem Vogel. »Geh schlafen! Ich habe schon gegessen. Wo bist du gewesen? Jetzt gibt es nichts zu essen.« Aber der Vogel blieb hartnäckig. Er wußte, daß die Menschen lügen.
    Die gemeinsame Dusche – ein großes mit Holz verkleidetes Gebäude, Frauen rechts, Männer links – war praktisch leer. Ein Wärter an der Ausgabe für Handtuch und Seife lümmelte auf seinem Stuhl und beugte sich erst nach vorn, als Edward herankam. »Gehen Sie nur gleich rauf«, sagte der junge Mann und brachte ein kleines Stück Seife und ein Handtuch zum Vorschein. »Kein Warten.«
    Edward lächelte. »Muß doch langweilig sein.«
    »Es ist wundervoll«, sagte der Wärter.
    »Wie viele Leute gibt es hier?«
    »Im ganzen Tal? Vielleicht zwei-, dreihundert. In Camp Curry nicht mehr als dreißig. Vollkommen friedlich.«
    Edward duschte sich in einer sauberen, so gut wie unbenutzten Kabine. Dann rasierte er sich mit einem Wegwerf-Apparat vor einem Spiegel, der so breit war, daß er für fünfzehn oder zwanzig Männer ausgereicht hätte. Ein Mann kam herein und lächelte fröhlich. Edward nickte ihm herzlich zu, fühlte sich wie privilegierter Adel, packte sein Zeug zusammen und ging wieder zu seinem Zelthaus.
    Um acht hatte er genug in den Büchern gelesen, die er in dem Buchladen des Großmarkts gekauft hatte. Er machte die Deckenlampe aus und schüttelte die Kissen auf. Dann lag er eine Stunde lang schlaflos da, dachte nach und lauschte.
    Irgendwo im Tal sang eine Gruppe junger Leute Volkslieder. Ihre jungen Stimmen stiegen in der gestirnten Dunkelheit empor. Sie klangen wie fröhliche Geister.
    Ich bin daheim.

 
55
     
    Reuben wurde am 15. März in Alexandria, Virginia, neunzehn. Er feierte das, indem er sich in einer kleinen Bäckerei einen Krapfen und einen Karton Milch kaufte. Dann stand er auf der Straße und schaute sich mißtrauisch um. Er hatte einen neuen Mantel und einen weichen Filzhut erstanden; aber große, muskulöse Schwarze waren, auch wenn sie unauffällig konventionell gekleidet waren, keine beliebte Attraktion

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