Schmiede Gottes
abgebrochen und unverwittertes Gestein freigelegt worden war.
»Es ist großartig. Ich bin seit zehn oder zwölf Jahren nicht mehr hier gewesen«, sagte Minelli. »Warum bist du hergekommen?«
»Kindheitserinnerungen. Der beste Platz auf Erden.«
Minelli nickte heftig. »Überall, wo ich mich gerade befinde, ist der beste Platz auf Erden; aber dieser hier ist besser als die meisten. Ich sehe niemanden da oben. Wo sind die?«
Edward nahm einen kleinen Feldstecher zur Hand und sagte: »Halte Ausschau nach Ameisen, die Seile und Säcke nachziehen! Da oben sind vier oder fünf, wie ich gehört habe.«
»Jesus!« sagte Minelli und beschattete seine Augen. »Ich sehe einen schwarzen Fleck. Nein. Es ist ein blauer Fleck. Die Farbe meines Schlafsacks. Ist das einer?«
Edward zog mit dem Finger eine Linie von dem kleinen blauen Fleck weg. »Schau ein paar Grade höher! Da.« Er gab Minelli den Feldstecher. Minelli schwenkte ihn hin und her in immer kleineren Bogen und hielt dann inne. Seine Augenbrauen hoben sich über die Okulare. »Habe ihn. Oder sie. Hängt einfach so da.«
Edward sagte: »Da oben ist noch einer. Es muß ein Team sein. Die Seile zwischen ihnen wirst du kaum erkennen.«
»Wie lange dauert es, bis auf den Gipfel zu kommen?«
»Einen Tag, hat mir jemand gesagt. Vielleicht auch länger. Manchmal biwakieren sie dort in einem Sack hängend oder, wenn sie Glück haben, auf einer Felsleiste.«
Minelli gab ihm den Feldstecher zurück. »Mir wird schon schwindlig, wenn ich bloß daran denke.«
Edward schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich könnte daran Spaß haben. An die Leistung denken, auf dem Gipfel stehen und über alles hinausblicken. Wie ein Wolkenkratzer zu sein und dabei zu wissen, daß das alles einem gehört.«
Minelli machte ein zweifelndes Gesicht. »Was geschieht hier sonst noch? Der Platz ist verlassen.«
»Praktisch ja. Da gibt es ein Gruppentreffen im Amphitheater von Curry Village heute abend. Eine Band gibt morgen abend ein Konzert. Die Ranger sind kaum beschäftigt. Einige von ihnen veranstalten Touren zum Wochenende.«
»Alle Leute bleiben zu Hause. Mr. und Mrs. Mamapapa kuscheln sich vor ihre Fernseher, nicht wahr?«
Edward nickte und hob dann wieder den Feldstecher auf der Suche nach weiteren Bergsteigern. »Machst du ihnen das zum Vorwurf?«
»Nein«, sagte Minelli ruhig. »Wenn ich ein Heim hätte oder jemanden, um den ich mich kümmern müßte – ich meine, eine Frau –, dann wäre ich dort. Ich habe meiner Schwester und Mutter Lebewohl gesagt. Die wissen nicht, was, zum Teufel, da passiert. Sie sind zu unwissend, um sich Sorgen zu machen. Mama sagt: ›Gott wird sich um uns kümmern. Wir sind seine Kinder.‹ Vielleicht wird er das. Aber falls nicht, bin ich bei dir. Ich hege keinen Groll. Ich kann immer noch die Meisterwerke des alten Angebers bewundern.«
»Es könnte hübsch sein, wenn man keine Ahnung hätte«, sagte Edward und ließ den Feldstecher sinken.
Minelli schüttelte energisch den Kopf. »Schließlich möchte ich doch wissen, was geschieht. Ich will nicht diese… Panik, wenn es kommt. Ich will Bescheid wissen und dasitzen und so viel beobachten, wie ich kann. Vielleicht ist dies der beste Platz im Theater.« Er zeigte auf die fleckige Felswand. »Irgendwo ganz hoch oben.«
Da Edwards Zelt zwei Liegen hatte, bot er eine davon Minelli an, aber der lehnte ab. »Schau«, sagte er. »Die nehmen dafür jetzt nicht einmal Geld. Ich habe unten im Dorf gefragt, und die Burschen sagten: Mach nur weiter, schlaf in einem, halte es bloß selbst sauber! Was mich angeht, so werde ich mir eine Frau suchen, die bei mir ist, wenn es passiert. Wie ist es mit dir?«
»Das wäre hübsch«, stimmte Edward zu.
»Also gut dann. Wir tun uns zusammen, finden Frauen – kluge Frauen, meine ich, die ebenso gut wissen, was passiert, wie wir – und machen eine wilde Party zusammen. Ich habe einige Lebensmittel mitgebracht, und der Dorfladen ist bis unter das Dach voll von Bier und Wein und Tiefkühlkost. Wir werden es uns gutgehen lassen.«
Als die Dämmerung kam, duschten sie, zogen frische Sachen an und gingen zum Amphitheater, vorbei an den Blockhäusern. Vor der offenen Tür von einem saß ein Paar mittleren Alters in Klappstühlen und hörte auf einen leise gestellten tragbaren Radioapparat. Sie nickten sich grüßend zu.
»Gehen Sie zur Versammlung?« fragte Edward.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Heute abend nicht«, sagte er. »Es ist heute abend zu
Weitere Kostenlose Bücher