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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Uhr. Mit weit aufgerissenen Augen fand er sich mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf einem kurzen Einzelbett in einem kleinen, schäbigen Hotelzimmer. Sein nächtliches Gestrampel hatte das Bettlaken und das Oberbett weggezogen, und er war nur halb zugedeckt.
    Er setzte sich auf die Bettkante und zog seine ›Eierwärmer‹ (die sein Vater immer Jockey-Unterhosen zu nennen pflegte) an, sowie ein T-Shirt und lange Hosen. Dann zog er die Vorhänge von dem schmalen Fenster weg und stellte sich davor. Er sah, wie das Licht der Vordämmerung über der Stadt aufstieg. Graue Gebäude, alte Ziegel- und Natursteine, dunkel getönt durch den Matsch und Schnee der vergangenen Nacht. Gelbliche Straßenlaternen, die einsames Licht auf nasses Pflaster warfen. Ein einzelner alter Toyota-Lastwagen, der unter dem Fenster durch den Dreck fuhr und langsam hinter einer verlassenen und zugenagelten Ladenfront verschwand.
    Reuben duschte, zog sein neues Hemd an, und verließ das Hotel um fünf Uhr dreißig. Er hatte sein Zimmer schon am Vorabend bezahlt. Einen Augenblick stand er fröstelnd vor der kahlen Ladenfront und horchte auf das Netz, um letzte Anweisungen zu bekommen. Der alte Toyota kam wieder die Straße herunter und bog vor ihm an den Bürgersteig ein. Ein Mann im Overall und mit Baseballmütze, der nur ein paar Jahre älter war als Reuben, saß am Lenkrad. »Kann ich dich mitnehmen?« fragte er und machte die entgegengesetzte Tür auf. »Du willst zum Toland Brothers Excursion Terminal. Du bist der zweite, den ich heute morgen aufgelesen habe.«
    Reuben rutschte in den Beifahrersitz und lächelte dem Fahrer zu. »Schrecklich früh, um schon herumzufahren«, sagte er. »Ich weiß das zu schätzen.«
    »Nun, es ist für einen guten Zweck«, sagte der Mann. Sein Blick ruhte auf Reubens Gesicht. Er schien nicht sehr glücklich zu sein, daß sein Passagier schwarz war. »Jedenfalls hat man mir das gesagt.«
    Sie nahmen die Neunte Straße Ost zum Municipal Pier. Der Fahrer ließ Reuben aussteigen und fuhr weg, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
    Die Dämmerung war erst kaum mehr als ein Versprechen, als er den Pier entlangging und an die schweren Eisengitter und das Tor unter dem gewaltigen Schild TOLAND BROS herantrat. Ein plumper, ergrauter Mann von weniger als siebzig und sicher über sechzig Jahren stand hinter dem Tor mit einer Taschenlampe in der Hand und ließ eine Zigarette zwischen den Zähnen baumeln. Er sah Reuben, bewegte sich aber erst, als der junge Mann bis auf weniger als zwei Meter herangekommen war. Dann kam er hinter dem Gitter näher und richtete den Lichtstrahl auf Reubens Gesicht.
    »Was kann ich für dich tun?« fragte er scharf. Die Zigarette war durchnäßt und kalt.
    Reuben sagte: »Ich bin hier für den Frühausflug.«
    »Ausflug? Wohin?«
    Reuben zeigte mit ausgestrecktem Arm vage auf den Erie-See. Der Mann sah ihn im Licht seiner Lampe einige lange Augenblicke prüfend an. Dann senkte er den Lichtstrahl und rief: »Donovan!«
    Donovan, ein kleiner, sauberer Bursche in einem cremefarbenen Anzug, ungefähr so alt wie der Mann, aber weit besser erhalten, kam aus einem Schuppen nahe dem Büro heraus.
    Donovan warf einen raschen Blick auf Reuben und fragte: »Netzwerk?«
    »Ja, Sir.«
    »Mickey, laß ihn rein!«
    Mickey knurrte: »Verdammte Narren! Auf dem See ist noch Eis. Uns vor Beginn der Saison herauszuholen.« Er neigte den Kopf auf eine Seite und konzentrierte sich darauf, das Vorhängeschloß zu öffnen und eine Kette aus dem Riegel des Tors zu ziehen. Die Kette rutschte mit einem verdächtigen Geräusch snick-tink, das an ein Maschinengewehr erinnerte, aus der Öse. Er zog das Tor nach einwärts und winkte Reuben mit einer großen, schwieligen, roten Hand hinein.
    Auf halber Länge des Piers, nach einem alten vernagelten Restaurant für Meeresfrüchte, rülpste ein Ausflugsschiff mit zwei Decks namens Gerald FitzEdmund aus einem Tandemdiesel durch Heckrohre, die eben über der Wasserlinie lagen. Das Boot konnte leicht zwei- oder dreihundert Passagiere aufnehmen, war um diese Stunde aber praktisch leer. Donovan ging Reuben voraus und bedeutete ihm, über die mit Seilen gesicherte Einstiegsrampe zu gehen.
    »Wir werden in einer oder zwei Stunden auf den See hinausfahren«, sagte Donovan. »Wir sind angewiesen worden, euch drei da draußen zu lassen. Wo auch immer das ›da‹ sein mag. Es ist heute verdammt kalt für die Fahrt, das kann ich dir sagen.«
    Reuben fragte: »Was sollen wir da draußen

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