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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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bekümmerte Miene der Frau veranlaßte ihn, lieber erst nach einer kleinen Pause des Nachdenkens zu antworten. Dann sagte er: »Nein, ich glaube nicht. Heute sind hier nicht viele Leute.«
    »Ich warte schon seit zwei Tagen«, sagte sie seufzend. »Wir wollten uns hier, genau am Emerald Lake, treffen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Haben Sie jemanden, der ihm ähnlich wäre, unten im Tal gesehen? Sie sind doch von dort aufgestiegen?«
    »Ja; aber ich erinnere mich an keine Männer mit schwarzen Bärten und roten Parkas. Oder auch nur mit schwarzen Bärten – falls es kein Motorradfahrer ist.«
    »Oh, nein.« Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab, drehte sich dann aber doch wieder um. »Vielen Dank!«
    »Nicht der Rede wert. Darf ich Ihnen Tee oder Obst anbieten?«
    »Nein, danke. Ich habe schon gegessen. Ich habe Verpflegung für uns beide mitgebracht.«
    Edward sah sie mit unsicherem Lächeln an. Sie schien sich nicht klar zu sein, was sie als nächstes tun sollte. Halb wünschte er sich, sie möchte weggehen. Er fühlte sich fast schmerzlich zu ihr hingezogen.
    »Er ist mein Gatte«, sagte sie und schaute zum Liberty Cap auf, wobei sie die Augen gegen den dunstigen Glanz beschattete. »Wir leben getrennt. Wir haben uns einst in Yosemite kennen gelernt und gedacht, wenn wir hierher zurückkämen, bevor…« Ihre Stimme versagte. Sie zuckte leicht mit Schultern und Armen, »könnten wir vielleicht wieder beisammen bleiben. Wir hatten uns am Emerald Lake verabredet.«
    »Ich bin sicher, daß er hier irgendwo sein muß.« Edward deutete auf den See, den Pfad und den Wasserfall.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie. Diesmal lächelte sie nicht, sondern wandte sich einfach um und ging zurück zum Kopf des Vernalfalls und der hinabsinkenden Nebelschleppe. Er sah zu, wie sie ging und holte tief Luft. Dann biß er in sein zweites Sandwich und sah sich dies beim Kauen bekümmert an. »Das muß am Weißbrot liegen«, sagte er zu sich selbst. »Eine Frau wie die kann ich höchstens mit Vollkornbrot ködern.«
     
    Um drei Uhr waren die Wiesen, der Umkreis des Sees, die Wasserfälle und der Pfad darunter leer. Er war auf Kilometer hin das einzige menschliche Wesen. Zumindest schien es so, oder könnte sogar zutreffen, dachte er. Er ging über die Brücke und verweilte bei den Bäumen auf der anderen Seite, mit nur dem Donnern des Wasserfalls von oben und unten und Bruchstücken von Vogelgezwitscher. Über Steine wußte er sehr gut Bescheid, aber kaum über Vögel. Rotflügelige Amseln und Rotkehlchen und Eichelhäher waren ihm geläufig. Er dachte daran, sich im Laden ein Buch zu kaufen, um die anderen kennenzulernen; aber wozu war es schließlich gut, Namen zu benutzen? Wenn die Erinnerungen ohnehin bald fein zerstäubt in den Weltraum geblasen würden, dann war Bildung nur Verschwendung.
    Es kam ihm darauf an, seinen Mittelpunkt zu finden, oder einen Ort der Existenz zu bestimmen, einen Moment der Reinheit und konzentrierter Achtsamkeit zu gewinnen. Er glaubte nicht, daß das mit vielen Leuten um ihn herum möglich wäre. Jetzt hatte er eine Chance, es zu versuchen.
    Vielleicht beten. Er hatte in letzter Zeit nicht viel an Gott gedacht, eine bezeichnende Leere. Er wollte kein Spielverderber sein, wenn die ganze Welt in Deckung ging. Aber Anpassung war jetzt ebenso nutzlos wie naturwissenschaftliche Studien, und bei weitem nicht so verlockend.
    Das Tal lag noch im Sonnenlicht, Liberty Cap schon im Schatten. Der Rauch hatte sich etwas verzogen, und der Himmel war blauer – grün an den Rändern des Dunstes, wirklichkeitsnäher als zuvor.
    »Ich werde sterben«, sagte er versuchsweise laut mit normaler Stimme. »Was ich bin, wird ein Ende nehmen. Meine Gedanken werden aufhören. Ich werde nichts spüren, nicht einmal das totale Ende.« Aufsteigende Felsen und Rauch und Lava. Nein – so wahrscheinlich nicht. Wird es schmerzen? Wird die Zeit für Schmerz ausreichen?
    Massensterben. Gott war wahrscheinlich auch durch Massengebete beansprucht.
    Gott.
    Kein Beschützer, sofern keine Wunder geschähen.
    Er schlurfte mit den Stiefeln im trockenen Schmutz des Weges. »Was erwarte ich, zum Teufel, eigentlich? Offenbarung?« Er schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem Lachen. »Naiver Hundsfott! Du bist außer Übung; deine Gebetsmuskeln, dein Erleuchtungsbizeps, die sind alle außer Form. Können dich nicht höher heben als bis zu deinem verdammten Kopf.« Die Bitternis in seiner Stimme erschreckte ihn. Verlangte es ihn wirklich

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