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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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gekommenen Oberflächenzüge unterscheiden sich nur wenig von dem, was die Radarabtastungen durch frühere Planetensonden gezeigt haben.
    Der Planetenforscher Ure Heisinck von der Universität Göttingen glaubt, daß die Atmosphäre jetzt einen eingebauten Mechanismus zur Wärmeübertragung besitzt, der sie abkühlen lassen kann. Schließlich würde der Dampf kondensieren, und die so entstehenden undurchsichtigen weißen Wolken würden mehr Sonnenwärme in den Raum zurückstrahlen, als sie absorbieren. Dadurch würde noch mehr Kühlung erzielt, und schließlich käme es zum Fall von Regen, der seinerseits auf der Oberfläche des Planeten zu Dampf werden müßte. Dieser Dampf würde in den oberen Atmosphären kondensieren und wieder Hitze in den Raum zurückschicken. Nach ein paar hundert Jahren könnten Bedingungen wie auf der Erde herrschen…

 
     
     
Lacrimosa
dies illa

 
60
     
    Rauchiger Dunst hing über dem Tal aus Feuern im Osten: Idaho, Arizona, Utah. Die Morgensonne schimmerte hellorange durch den Schleier und warf auf ganz Yosemite ein träumerisch gedämpftes Licht von apokalyptischer Farbe.
    Edward ging an dem Laden vorbei und sah Minelli in der offenen Tür seines Wagens auf dem Parkplatz sitzen. Er hörte Radio, das eine Bein auf das andere Knie gelegt, und kratzte mit einem Zweig Dreck aus den Stollen seines Stiefels.
    »Was hört man so?« fragte Edward und lehnte seinen Spazierstock an den Stoßfänger des Autos.
    Minelli sagte: »Noch nichts, was uns bis jetzt nahe gekommen wäre. Feuersbrünste im Süden, die sich aber weiter nach Süden und nicht nach Norden ausbreiten, und im Osten Brände ungefähr vier- bis sechshundert Kilometer entfernt.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Die Geschosse sind unter den mikroseismischen Untergrund abgesunken. Niemand kann sie jetzt hören.« Er schmunzelte und schleuderte den Zweig mit dreckiger Spitze auf den Asphalt. »Man hätte Lust, hier draußen zu arbeiten, nicht wahr? Dem Patienten den Puls fühlen.«
    »Eigentlich nicht«, sagte Edward. »Gehen wir heute spazieren?«
    »Bin schon gewesen«, erklärte Minelli und zeigte nach Westen. »Seit etwa fünf Uhr. Es ist hübsch, im Dunkeln aufzustehen. Der Sonnenaufgang war großartig anzuschauen. Viele meiner Gewohnheiten ändern sich. Ich fühle mich jetzt sehr ruhig. Ergibt das einen Sinn?«
    »Ablehnung, Ärger, sich Zurückziehen… Akzeptanz«, sagte Edward. »Die vier Stadien.«
    »Ich akzeptiere gar nichts«, sagte Minelli. »Ich bin bloß ruhig im Hinblick auf das, was geschehen wird. Wo gehst du hin?«
    »Ich nehme den Mist Trail zu den Vernal- und Nevadafällen empor. Bin noch nie da gewesen.«
    Minelli nickte. »Weißt du, ich habe ausgespäht, wohin ich gehen möchte, wenn der Schnurps kommt.« Er zeigte mit erhobenem Finger auf Glacier Point. »Da oben kannst du alles sehen, und es dürfte spektakulär werden. Ich werde hinaufkrabbeln und dort eine Woche, oder wie lange es dauern mag, kampieren. Bloß um bereit zu sein.«
    »Was ist, wenn du irgend etwas Weibliches triffst?«
    »Ich nehme an, daß sie mit mir gehen wird«, sagte Minelli. »Aber ich habe keine große Hoffnung.« Er rieb sich den Bart und grinste boshaft. »Ich bin nicht gerade die erste Wahl.«
    Edward schaute auf einen Aufkleber im Seitenfenster: GEBOREN DEN TEUFEL ZU BESCHWÖREN. »Mazel«, rief er in einem jüdischen Glückwunsch über die Schulter und ging nach Osten.
    »Ich bin Katholik. Ich weiß nicht viel von diesem Kram.«
    »Ich bin Episkopalist«, sagte Edward.
    »Wann kommst du zurück?«
    »Rechtzeitig für die Versammlung um fünf.«
     
    Edward folgte den Zickzackstrecken des ersten Teils des Muir Trails und machte auf mit Granitbänken versehenen Aussichtspunkten Rast, um über Schluchten zu blicken, die voller brüllenden weißen Wassers waren. Der Geruch von Moos und Gischt und feuchtem Humus stieg ihm in die Nase. Der Vernalfall polterte ständig zu seiner Linken. Geisterhafte nasse Wolken durchtränkten seine Kleidung und schlugen sich ihm auf Gesicht und Händen als Tropfen nieder. Er verzog das Gesicht gegen die Kühle, mochte aber keinen Parka oder sonst etwas anziehen, das ihn isolieren würde.
    Die feuchten, grünen Felsen des Weges reflektierten den Himmel und bekamen eine düstere orangebraune Tönung. Als die Brise dicke Nebelstreifen in seine Richtung blies, war er gleichsam in einen warmen bernsteinfarbenen Nebel gehüllt. Der Wasserfall und die verwitterten, von Moos bedeckten Granitwände verloren sich

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