Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Journalistenkritik zu tun? In meinem Fall eine ganze Menge. Was mir widerfahren ist, erlebt ein Politiker oder eine Politikerin nicht alle Tage. Die Geschichte liegt zwar inzwischen fast sechs Jahre zurück, ist mir aber nachhaltig in Erinnerung geblieben. Zur damaligen Zeit war ich die Generalsekretärin der FDP, aber auch Mutter eines pubertierenden Sohnes, was, wie alle Eltern wissen, eine aufregende Zeit in jeder Familie ist. Damals begleitete mich eine Volontärin des Stern , die eigentlich schon der Pubertät entwachsen war, auf meinen politischen Reisen durchs Land. Sie hatte von ihrem Boss den Auftrag, für ein Porträt über mich zu recherchieren.
Die junge Dame kam also, soweit ich es erlaubte, überall mit hin. Von ihrer Chefredaktion bekam sie die Genehmigung, mich auf eine Dienstreise zu einem Regierungsbesuch nach Polen zu begleiten. Dort traf ich unter anderem die damalige Staatssekretärin im Außenministerium, Danuta Hübner, die später polnische Ministerin für Europaangelegenheiten wurde und inzwischen EU-Kommissarin in Brüssel ist. Mir selbst sind solche Frauennetzwerke sehr wichtig. Ich halte es da mit Margaret Thatcher, die sagte: »Wollen Sie in der Politik etwas gesagt bekommen, wenden Sie sich an einen Mann, wollen Sie etwas getan bekommen, wenden Sie sich an eine Frau!« Danuta Hübner
ist eine Frau der Tat, und ich hielt und halte es für wichtig, für junge Frauen Vorbilder zu schaffen. Auch sah ich mich für die Volontärin des Stern eher als eine Art Mentorin. Ich habe Ihre Begleitung zugelassen, weil ich wollte, dass es ihr in ihrer persönlichen Entwicklung hilft. Übrigens ist es mir inzwischen auch gelungen, dass die FDP ein eigenes Mentoring-Programm nur für Frauen durchführt, das sich bereits nach einem Jahr sehr erfolgreich bei Kandidaturen ausgewirkt hat.
Ich hatte mich außerdem entschlossen, die junge Journalistin in meinen Wahlkreis einzuladen. Da es in dieser Zeit sehr hektisch zuging, musste ich während ihres Besuchs zwischendurch nach Hause fahren, um mich umzuziehen. Die junge Dame und den sie begleitenden Fotografen lud ich zu einem Kaffee ein. Sie nutzte die Gelegenheit, um Fotos zu machen, und lobte meine Blumentöpfe auf der Terrasse. Nun muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass auf meiner Südterrasse die Blumen aufgrund der vielen Sonne und des guten Klimas in die Höhe schießen.
Zur damaligen Zeit hatte mein Sohn gerade seine Liebe zur Botanik und zur Experimentierfreude mit Pflanzen entdeckt. So war es in seinem Freundeskreis völlig normal, diverse Samen, mit Vorliebe auch Vogelsamen, einzupflanzen. Und welch ein Wunder: tatsächlich wuchs wieder einmal ein Pflänzchen im Blumentopf heran. Seine Großmutter, die auch in unserem Haus wohnt, gab dem Enkelsohn als passionierte Gärtnerin noch die entsprechenden Pflegehinweise.
Keiner von uns konnte oder wollte diese Pflanze genauer spezifizieren. Nachdem sie ungefähr 40 Zentimeter groß war, gerieten wir doch ins Grübeln darüber, welcher
Art diese Pflanze wohl sein könnte. Mein Sohn konnte nicht zur Aufklärung beitragen.
Dafür gewann der Blumentopf bei besagter Tasse Kaffee die Aufmerksamkeit des Stern . Aber das nahm ich erst viel später in dem angekündigten Porträt zur Kenntnis. Darin stand geschrieben, ich würde auf meiner Terrasse Cannabis in Blumentöpfen züchten, oder besser gesagt, mein Sohn. Das Problem war nur, dass seit dem Kaffeekränzchen bereits zwei Monate vergangen waren.
Der Sommer neigte sich dem Ende zu; die Nächte wurden kühler, die Hanfpflanze verkümmerte und überlebte den September nicht. Das Experiment meines Sohnes fand sein jähes Ende auf dem Komposthaufen.
Auch wenn die Hanfpflanze inzwischen verrottete, wuchs nach dem Stern -Artikel die Fantasie der Leute, vor allem aber der Journalisten. Einer nach dem anderen schrieb den Beitrag praktisch ab. Bild titelte sogar: »Drogenrazzia bei Pieper!« auf der ersten Seite, nachdem die Staatsanwaltschaft Halle, lediglich begründet durch den Stern -Artikel, eine nicht angekündigte Hausdurchsuchung vornahm. Ein Parteifreund rief an und wollte mich trösten, mit den Worten: »Wer von der FDP schafft es zurzeit schon auf die Titelseite der Bild ?« Doch mir war überhaupt nicht zum Lachen zumute.
Kurioserweise bot die Großmutter meinem Sohn nicht nur ihre Hilfe in Sachen Botanik an, sondern auch dem Staatsanwalt in Sachen Hausdurchsuchung während meiner Abwesenheit. Diese endete schließlich beim
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