Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Hauptgebäude zu.
»Eigentlich ganz hübsch hier«, fiel Hain auf, während er im
Zickzack um die Pfützen lief. Lenz blieb stehen und sah sich um. Rechts vom
Haupthaus schloss sich ein weiteres, flaches Gebäude an, dessen komplette Front
ebenfalls verglast war. Daneben gab es drei in einer Reihe liegende
zweigeschossige, wie Klötze aufgereihte Bauten, die durch Vordächer miteinander
verbunden waren. Dahinter erkannte Lenz zwischen den Bäumen ein offenbar mit
viel Liebe zum Detail renoviertes altes Haus. Das komplette Ensemble umspannte
eine große Rasenfläche in der Mitte.
»Ja, nett hier. Sieht auf den ersten Blick gar nicht aus wie
ein Jugendheim. Vielleicht, weil keine Jugendlichen zu sehen sind.«
»Kann ich Ihnen helfen?«, rief eine Stimme hinter
ihnen.
Die beiden
Kriminalbeamten drehten sich um und sahen in das freundliche Gesicht eines etwa
45-jährigen Mannes.
»Vielleicht, ja«,
erwiderte Hain. »Wir sind von der Kriminalpolizei in Kassel und würden uns gern
mit jemandem unterhalten, der schon länger hier arbeitet.«
»Geht es um ein Mitglied unserer Wohngruppen?«
»Nein, das nicht. Wir hätten ein paar Fragen zu einem
ehemaligen Erzieher; allerdings ist er seit knapp zehn Jahren im Ruhestand.«
»Seit zehn Jahren? Da gibt es eigentlich nur eine Frau, die
Ihnen vermutlich helfen kann.« Der Mann wies auf die Eingangstür. »Kommen Sie,
ich bringe Sie hin. Mein Name ist Helmut Pander. Ich arbeite hier als Sozialpädagoge,
allerdings erst seit etwa fünf Jahren. Demzufolge kann ich Ihnen leider nicht
helfen.«
Er führte die Polizisten in den zweiten Stock. Dort ging er
auf eine offen stehende Tür am hinteren Ende des Korridors zu, klopfte kurz und
trat ein. »Hallo, Erika. Hier ist Besuch für dich.«
Hinter dem Schreibtisch saß eine grauhaarige,
groß gewachsene, schlanke Frau, die kurz den Blick hob und sich dann wieder
auf die Akte vor ihr konzentrierte. »Kann das nicht jemand anders machen? Ich
habe wirklich keine Zeit.«
»Die Herren sind von der Polizei in Kassel. Sie haben ein
paar Fragen zu einem Erzieher, der hier mal gearbeitet hat.«
Nun hob die Frau den Kopf und blickte zuerst Hain
und dann Lenz streng an. »Um wen geht es?«, fragte sie knapp.
»Dieter Bauer«, erwiderte Lenz.
Über ihr Gesicht huschte der Anflug einer Irritation. »Dieter
Bauer?«
»Kennst du ihn?«, wollte Pander wissen.
Sie beachtete ihn nicht. »Was ist mit ihm? Und warum
interessiert sich die Kripo für ihn?«
Lenz wandte sich
an Helmut Pander. »Herr Pander, wir danken Ihnen für Ihre Hilfe. Jetzt
allerdings würden wir uns gern mit Ihrer Kollegin allein unterhalten.«
Der Sozialpädagoge sah von Lenz zu der Frau und wieder
zurück. »Natürlich, klar.« Damit drehte er sich um und war auch schon durch die
Tür geschlüpft, die Hain hinter ihm ins Schloss drückte.
»Dürfen wir uns setzen, Frau …?«, fragte Lenz freundlich.
»Schäfer. Erika Schäfer.« Sie deutete auf die beiden Stühle
vor ihrem Schreibtisch. »Selbstverständlich, nehmen Sie ruhig Platz.«
Während er sich setzte, musterte Lenz die Frau so
unauffällig wie möglich. Sie trug eine streng wirkende Brille mit großen,
dunklen Kunststoffbügeln. Ihr graues Kostüm passte farblich zu den Haaren, was
man vom Make-up nicht unbedingt behaupten konnte. Es war viel zu dick
aufgetragen und verlieh ihrem Gesicht etwas von einer japanischen Geisha.
»Also, was wollen Sie wissen über Dieter Bauer?«
»Sie kennen ihn?«
»Natürlich. Wir haben immerhin mehr als 20 Jahre intensiv
zusammengearbeitet.«
»Hier im Karlshof?«
»Ja, wo sonst?«
Lenz wurde das Gefühl nicht los, dass mit der Frau nicht gut
Kirschen essen war.
»Was hat er hier gemacht? Er war Erzieher, nicht?«, mischte
Hain sich in das Gespräch ein.
»Er war Erzieher, ja. Soll ich Ihnen jetzt erklären, welche
Aufgaben ein Erzieher hat?«
»Das wäre nett.«
Sie schluckte und verschränkte die Hände vor der Brust. »Darf
ich zunächst Sie bitten, mir den Hintergrund Ihrer Nachforschungen
mitzuteilen?«
»Herr Bauer«,
erklärte Lenz der Frau, »wurde das Opfer eines Tötungsdeliktes.«
Die Frau zuckte
nicht einmal. »Was meinen Sie damit, ›das Opfer eines Tötungsdeliktes‹?«
»Wie es aussieht, wurde er ermordet. Aber das ist noch nicht
hundertprozentig klar, wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen. Deshalb
sprechen wir von einem Tötungsdelikt.«
Nun wich Erika
Schäfer auch noch der letzte Rest
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