Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Handflächen mehrere Ladungen in sein
Gesicht. »Anfängerfehler«, konstatierte er ungerührt, während Lenz ihm ein
Papiertuch nach dem anderen reichte.
»Auf
dem Herrenklo hätte ich mit ihm gerechnet, vielleicht noch nebenan im
Bierkeller. Aber auf dem Frauenklo?«
Lenz atmete tief durch.
»Wenn das publik wird, wie wir uns hier angestellt haben, gibt es richtig
Ärger, Thilo. Wir hätten uns nie trennen dürfen.«
»Stimmt. Also erzählen
wir es doch lieber niemandem, was meinst du?«
»Und wie willst du den
Kollegen die fette Beule, die sich da auf deiner Schädeldecke abzeichnet,
erklären? Mal ganz abgesehen von der Gehirnerschütterung.«
»Darüber denken wir nach,
wenn wir hier raus sind. Jetzt machen wir einen Versuch, ob ich ohne fremde
Hilfe laufen kann.« Er drehte sich um und verließ die Toilette. »Geht doch«,
murmelte er, und setzte umständlich den rechten Fuß auf die unterste Stufe der
Treppe.
*
Der
Mann hinter dem Tresen polierte gelangweilt ein Bierglas. Außer ihm war niemand
mehr in der Kneipe.
»Na, haben es Ihre Gäste
vorgezogen, zu verschwinden?«, fragte Hain den Mann im Plauderton, als die
Polizisten die Theke erreicht hatten. Wenn es ihm schwer fiel, ließ er es sich
zumindest nicht anmerken.
»Weiß auch nich.
Vielleicht ist ja Fußball im Fernsehen?«, erwiderte der Wirt hämisch grinsend.
»Na, dann dreimal zicke
zacke, zicke zacke, hoi hoi hoi«, skandierte der Oberkommissar und strebte auf
den Ausgang zu.
»50 Cent«, schallte es
hinter den Polizisten her. Die beiden blieben stehen und drehten sich um.
»Was war das?«, fragte
Lenz drohend.
»Ich kriege 50 Cent von
dem da. Hier reinschneien, nichts konsumieren und dann noch mein Klo vollpissen
läuft nicht. Solche Nassauer zahlen bei mir 50 Cent Toilettenbenutzungsgebühr.«
Er deutete auf ein altes, verblichenes DIN-A4-Blatt in seinem Rücken. »Hier,
für die ganz Doofen hab ich es sogar aufgeschrieben«, grinste er feist.
Lenz
warf Hain einen kurzen Blick zu, der leicht schwankend in der Tür stand. Dann
ging er langsam auf den Mann hinter dem Tresen zu, baute sich vor ihm auf, sah
ihm ein paar Sekunden lang in die Augen und schlug dann völlig unvermittelt zu.
Nicht mit der Faust, nein, mit der flachen Hand. Eine Backpfeife. Der Wirt
drehte eine Pirouette, bei der ihm Glas und Handtuch aus der Hand rutschten,
und schlug mit dem Gesicht zuerst auf dem Boden auf. Dort blieb er stöhnend
liegen. Der Kommissar griff in die rechte Hosentasche, sortierte aus seinem
Kleingeld ein Eurostück heraus und warf es neben dem Mann auf die alten,
speckigen Dielen.
»Stimmt
so. Der Rest ist für die freundliche Bedienung.«
»Mein
lieber Dirty Paule, wo hast du denn auf einmal das ganze Testosteron
hergenommen?«, wunderte sich Hain, während Lenz ihm auf den Beifahrersitz half.
»Hör auf. Du weißt, dass
ich mich damit nicht wohl fühle. Aber dieses Arschloch hat es einfach eine Spur
zu weit getrieben.«
»Das stimmt. Hast du
Sorgen, dass da was nachkommt?«
Lenz winkte ab.»Nicht bei
dem, das kannst du vergessen. Der hat die Geschichte wahrscheinlich jetzt schon
abgehakt.«
»So eine Backpfeife ist
aber auch demütigend. Und das hat mächtig geklatscht.«
»Mir tut auch die Hand
ganz schön weh. Aber trotzdem hast du eine Beule am Hirn und wir sind keinen
Deut weitergekommen. Was machen wir nun mit diesen Füchsen? War der, der dir
das Ding da oben verpasst hat, einer von den beiden?«
Hain betastete die immer
dicker werdende Beule auf seinem Kopf. »Keine Ahnung, aber anzunehmen wäre es.
Schreiben wir sie halt zur Fahndung aus.«
»Aus welchem Grund?«
»Angriff auf einen
Vollstreckungsbeamten und Körperverletzung.«
»Dazu müssen wir mit
deiner Verletzung zum Arzt. Und wir müssen in unserem Bericht den nicht so ganz
erfreulichen Umstand erwähnen, wie es dazu kam.«
»Auch wieder wahr«,
stimmte Hain zu.
»Es wird uns aber nichts
anderes übrigbleiben, Thilo. Wenn einer von den Füchsen oder gar beide mit den
Morden zu tun haben, können wir unmöglich das Risiko eingehen, sie frei in der
Gegend herumlaufen zu lassen.«
Hain dachte kurz nach.
»Dann lass es uns so machen, dass wir sie wegen eines
Angriffs auf mich zur Fahndung ausschreiben. Die
Beule halte ich heute Nacht schön kühl, dann ist sie bis morgen etwas
zurückgegangen. Ich will nicht, dass im Präsidium darüber geredet wird, dass
mir irgendein Strolch auf dem
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