Schmusekatze, jung, ledig, sucht
: »Beschäftigen wir uns lieber mit erfreulicheren Dingen, zum Beispiel mit deiner Katze. Wie heißt sie noch mal?«
»Ann… Lady Penelope«, brachte sie gerade noch heraus. »Sie wurde meistens Lady oder Penny gerufen.« Chrissy bückte sich, um die Transportbox zu öffnen.
»Nein, Moment«, ging Sandra dazwischen und hielt eine Hand vor das Gitter. » Was musst du jetzt zuerst machen?«
Chrissy stutzte. »Ähmmm … ja, stimmt, da war irgendwas … Wenn die Katze zum ersten Mal in eine neue Umgebung kommt …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich komm nicht drauf, Sandra. Sag’s mir bitte, sonst muss die arme Lady Penelope so lange in der Box bleiben, bis ich meine seitenlangen Notizen durchgelesen und die entsprechende Stelle wiedergefunden habe.«
» Wenn die Katze zum ersten Mal in eine neue Umgebung kommt, lässt man sie dort aus der Box, wo die Katzentoilette steht«, sagte Sandra in einem gespielt lehrmeisterhaften Ton. »Damit …«
»Damit sie weiß, wo sie die Toilette findet, und von dort aus ihre Umgebung erkundet«, setzte Chrissy den Satz fort. »Ja, das war’s.«
Sandra nahm die Box hoch und trug sie ins Badezimmer, dann öffnete Chrissy das Gitter. Gemeinsam mit Sandra beobachtete sie, was die Katze machte.
Zuerst geschah nichts, aber durch die Luftschlitze an den Seiten konnten sie sehen, dass Lady Penelope den Hals reckte und aus der sicheren Box heraus die nächste fremde Umgebung nach der Tierarztpraxis begutachtete.
»Bestimmt rechnet sie damit, dass gleich der nächste Arzt mitsamt zwei Helferinnen auftaucht, um ihr wieder mit Spritzen zu Leibe zu rücken«, meinte Chrissy.
»Kann gut sein, aber auf jeden Fall war es so besser«, bestätigte Sandra. »Sonst würde sie morgen früh schon wieder dem Stress einer Autofahrt ausgesetzt, und das muss einfach nicht sein.«
»Ich weiß nicht, ob sie es wirklich als so stressig empfunden hat«, sagte sie und sah zu Sandra. »Sie hat die ganze Zeit mit eingeklappten Pfoten in der Box gelegen und interessiert nach draußen geschaut, auch wenn sie außer mir nicht viel sehen konnte. Ab und zu hat sie ganz leise miaut, aber das war es auch schon.«
» War sie denn vielleicht ans Autofahren gewöhnt?«
Chrissy zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Zu meiner Großcousine hatte ich praktisch keinen Kontakt, und bis vor Kurzem wusste ich nicht mal, dass sie hier in der Nähe lebte.«
»Und trotzdem hat sie dir ihre Katze vermacht. Erstaunlich.«
»Nein, nein«, wehrte sie hastig ab. »Sie hat sie mir eigentlich nicht vermacht, aber niemand von ihren Verwandten und Bekannten wollte sie haben, und irgendjemand hat sich schließlich an mich erinnert und mich gefragt, weil sie sie sonst ins Tierheim gebracht hätten.«
»So ein armes Geschöpf wie Lady Penelope im Tierheim«, sagte Sandra nachdenklich, »das geht wirklich nicht. Es war gut von dir, die Katze zu nehmen.«
Eines Tages werden dir deine dreisten Lügen noch das Genick brechen, meldete sich warnend die Stimme in ihrem Hinterkopf zu Wort. Erst recht, wenn du dich bei allen Leuten, die du anlügst, auch noch so in Szene setzt, als würdest du dich aufopfern.
Chrissy erwiderte nichts auf Sandras Bemerkung, da sie schon genug damit zu tun hatte, nicht auf die mahnende Stimme zu reagieren. Sie wusste selbst, dass es nicht gut war, was sie da tat. Nicht nur, dass sie sich soundsoviele verschiedene Versionen merken musste, um zu wissen, wem sie was erzählt hatte. Das war noch das Harmloseste, denn da konnte sie sich immer noch mit einem Versprecher rausreden, wenn ihr einmal die falsche Antwort rausrutschte.
Viel gefährlicher war etwas ganz anderes : Auch wenn es sehr unwahrscheinlich war, dass dieser Fall eintrat, würde es für sie so richtig peinlich werden, wenn Sandra oder ihr Mann mit Robert zusammentraf und aus welchem Grund auch immer die Unterhaltung auf die Herkunft der Katze kam. Robert musste nur auf den Gedanken kommen, ihr einen Überraschungsbesuch abzustatten, und dabei auf Sandra treffen, während die sie im Umgang mit ihrer Katze unterwies – und schon würde sie es sich mit Sandra und ihrem Mann und zugleich mit Robert verscherzen, weil sie jedem einen solchen Bären aufgebunden hatte, dass sie darum wetteifern konnten, wen von ihnen sie am boshaftesten hinters Licht geführt hatte.
Da sich Lady Penelope noch nicht aus der Box gewagt hatte und sie beide nichts anderes tun konnten, als abzuwarten, gab sich Chrissy mit einem Mal einen Ruck und fragte
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