Schmusekatze, jung, ledig, sucht
auf der Straße warteten, um sie bei einem Fluchtversuch in Empfang zu nehmen. Auf dem Weg hierher hatte sie zwar niemanden bemerkt, der sich irgendwie auffällig verhielt, aber wenn ein paar Leute in einem Auto saßen, wären die ihr sowieso nicht aufgefallen.
Natürlich war da auch noch das Risiko, dass sie alles umso schlimmer machte, wenn sie davonzulaufen versuchte. Vielleicht würde der Unbekannte das als Schuldeingeständnis ansehen, und dann konnte sie beteuern, was sie wollte – er würde ihr nicht abnehmen, dass sie nicht wusste, was los war.
»Okay, okay, ich komme ja rein«, gab sie zurück, dann drückte sie die Tür auf und hielt die Hände vor sich ausgestreckt, damit der Fremde sah, dass sie keine Waffe bei sich trug. » Was wollen Sie von mir?«
Die Antwort, die sie daraufhin bekam, verwirrte sie umso mehr. »Boss, er ist jetzt hier«, verkündete der Mann, und eine leisere, weiter entfernte Stimme antwortete : »Nimm ihm seine Knarre ab, und dann schick ihn zu mir, ich bin im Wintergarten.«
Ehe sie noch etwas sagen konnte, verstummten die Stimmen, und ein Werbejingle für irgendein Waschpulver ertönte.
»O nein«, murmelte sie, als ihr ein Licht aufging. Sie sah hinter sich, ob die Katze womöglich an ihr vorbei aus der Wohnung gelaufen war, dann schloss sie die Tür und machte die Flurbeleuchtung an. In den Schatten hatte sich niemand versteckt gehalten, weil gar kein Fremder in der Wohnung war.
Was sie gehört hatte, war ihr Fernseher, der aus einem unerfindlichen Grund eingeschaltet war und ihr gerade im passenden Moment jene Dialogfetzen entgegengeschleudert hatte, die sie auf sich bezogen hatte.
Schnell hetzte sie ins Wohnzimmer, wo tatsächlich der Fernseher lief. Mittlerweile dröhnte der Kommentar zu irgendeinem geistlosen Werbespot für einen Geländewagen aus den Lautsprechern. Chrissy griff nach der Fernbedienung und schaltete das Gerät aus.
Statt der erwarteten Ruhe hörte sie dann jedoch Musik, die aber zum Glück viel leiser war als der Lärm aus dem Fernseher. Ihr Blick fiel auf die Programmzeitung, die auf dem Tisch lag, und sie stellte fest, dass der aktuelle Werbeblock einen alten Gangsterfilm in Schwarz-Weiß aus den Vierzigern unterbrochen hatte.
Ja, das erklärte die Stimme, die sie eben beim Betreten ihrer Wohnung gehört hatte. Aber wieso war der Fernseher überhaupt angegangen? Sie hatte ihn gestern Abend ausgemacht, und heute Morgen war sie nach dem Aufstehen sofort zum Arzt aufgebrochen, um ihre vermeintliche Erkältung behandeln zu lassen. Warum also war der Fernseher bei ihrer Rückkehr eingeschaltet gewesen? Und wieso lief die Stereoanlage ebenfalls?
Sie ließ das Radio laufen und ging zur Flurtür. »Lady Penelope, wo bist du? Lady? Penny?« Gerade eben hatte sie einen Schritt nach vorn gemacht, da begann hinter ihr der Fernseher erneut zu plärren. Das konnte nur ein Defekt sein, überlegte sie und wollte zum Tisch zurückkehren, um das Gerät erneut auszuschalten. Sie hatte sich noch nicht ganz umgedreht, da wurde ihr auf einmal klar, was diesen »Defekt« verursacht hatte.
Lady Penelope stand mitten auf dem Wohnzimmertisch – mit einer Pfote auf der Fernbedienung !
»Du hast den Fernseher angemacht?«, fragte Chrissy, ohne natürlich eine Antwort zu erwarten.
Trotzdem hielt Lady Penelope es offenbar für angebracht, sich mit einem ziemlich energischen »Miau« zu Wort zu melden, das in etwa so klang wie die Frage : » Wo bist du denn die ganze Zeit über gewesen? Ich war hier völlig allein.«
Amüsiert ging Chrissy zum Tisch, zog die Fernbedienung unter Lady Penelopes Vorderlauf hervor, die sofort mit der Pfote nach dem länglichen schwarzen Objekt zu schlagen versuchte. »Du hast dich wohl gelangweilt«, sagte sie zu der Katze und ging zunächst zum Fernseher, um das Gerät ganz auszuschalten. Dann nahm sie auch die Fernbedienung für die Stereoanlage an sich und legte beide auf das Sideboard. Aus der Schublade holte sie zwei der vielen Stoffmäuse, die mit irgendeinem komischen Kraut gefüllt waren, dessen Namen Chrissy längst wieder vergessen hatte, und warf ihrer Katze eine der Mäuse zu.
Schon im Sportunterricht war sie berüchtigt dafür gewesen, beim Volleyball und beim Handball die Bälle irgendwohin zu schleudern, nur nicht annähernd in die Richtung der Mitspielerin, die das eigentliche Ziel sein sollte. Und so flog nun auch die Stoffmaus in hohem Bogen durchs Zimmer – und weit, sehr weit an Lady Penelope vorbei.
Was dann geschah,
Weitere Kostenlose Bücher