Schmutzengel
für die zu arbeiten muss die Hölle sein«, entgegnete ich. »Darum mache ich es ja auch andersherum!«
»Gute Entscheidung«, lobte Troll.
Ich dachte an meine Mutter. Sie hatte Hausarbeit immer gehasst, sie aber natürlich trotzdem gemacht. Warum natürlich? Weil
frau nun eben die Hausarbeit macht. Sofern frau sich nicht eine Haushaltshilfe leistet. Aber kann frau wirklich damit leben?
Ein Gedanke nahm langsam Gestalt an.
»Frauen, die die Hausarbeit nicht selbst machen, haben unterschwellig ein schlechtes Gewissen, das sie dann durch Kritik kompensieren«,
schlug ich vor.
»Gute Idee«, sagte Troll. »Frauen ohne schlechtes Gewissen kannst du also nehmen.«
Mir schwirrte der Kopf. Wie sollte ich das in Erfahrung bringen? Ich konnte schlecht meine potenziellen Kunden nach ihrer
persönlichen Einstellung zur Rolle der Frau befragen. Zu welcher Gruppe würde ich eigentlich gehören? Oder Troll? Ob es bei
ihr zu Hause penibel sauber war? Oder chaotisch unordentlich? Wie lebte sie überhaupt? Ich hatte mal wieder keine Ahnung.
Nachdem sie mir damals bei ihrem ersten Besuch angeboten hatte, bei ihr zu wohnen, hatte sie das Thema nie wieder angesprochen
und mich auch nicht zu sich eingeladen. Und ich traute mich mal wieder nicht zu fragen. So hilfsbereit Troll auch immer war,
blieb sie doch geheimnisvoll und fremd. Absichtlich?
»Wir haben Zielgruppen, nun lass uns texten«, sagte Troll in meine Gedanken hinein. Sie hatte sich einen Notizblockund einen Stift von meinem Schreibtisch genommen und begann zu kritzeln.
»Wer wird denn gleich heiraten, nur weil er eine ordentliche Wohnung haben will?«, murmelte sie vor sich hin.
»Meine Wohnung, mein Auto, mein Schmutzengel«, war der nächste Versuch.
»Börse statt Bügeln«, »Sie vögeln, wir bügeln«, »Damit Wohnen nicht gleich Arbeiten ist«, »Sie kümmern sich um Ihre Mäuse,
wir um Ihre Wollmäuse«, »Für Drecksbengel gibt’s Schmutzengel«, »Himmlisch sauber.«
Ich musste mich mehrfach zusammenreißen, um nicht albern loszukichern, aber Troll war in ihrem Element. Für sie war dies hier
harte Arbeit und zwar genau die, die sie liebte. Mit ein paar Worten große Bilder malen. Gefühle hervorrufen. Banale Alltagserfahrung
mit philosophischem Tiefgang versehen. »Glauben Sie, James Bond putzt selbst?«
»Welchen Spruch nehmen wir?«, fragte ich nach einer Weile.
»Alle«, gab Troll zurück. »Zielgruppe, schon vergessen?«
»Also, der mit dem Vögeln …«, sagte ich.
»Was denn?«
»Ich will da keine falschen Erwartungen wecken«, wandte ich ein.
»War auch nicht ernst gemeint«, entgegnete Troll grinsend. »Ich wollte nur sehen, wie du reagierst.«
»Und? Wie habe ich reagiert?«
»Wie erwartet.«
Ich schüttelte den Kopf. Wie gut sie mich doch kannte.
»Wir platzieren Flyer, Postkarten und Visitenkarten in Fitnessstudios mit hauptsächlich männlicher Kundschaft, in Szene-Bars
und in amerikanischen Kaffeehäusern. Herren-Boutiquen und Maßschuh-Spezialisten benötigen einen anderen Flyer als Sauna-Landschaften,
weil sie ein anderesPublikum haben. In Clubs und Discos schicken wir süße Mädels mit Stempeln herum, die deine Internetadresse auf männliche Handrücken
stempeln. Und der Großteil der Werbestrategie läuft viral, das hieß früher mal Mund-zu-Mund-Propaganda.«
Die Hälfte dessen, was meine Werbemanagerin mir so wortgewaltig darlegte, sagte mir nicht viel, aber ich hatte vollstes Vertrauen.
»Wie soll das Logo aussehen?«, fragte ich, denn davon hatte ich nun überhaupt keine Ahnung.
Troll kritzelte bereits hoch konzentriert auf dem Papier herum. Ich zügelte meine Ungeduld und wartete, bis sie endlich ihren
Stift weglegte und mir den Block entgegenstreckte.
Ich starrte darauf. Mehrere Entwürfe von Engeln mit Putzutensilien starrten zurück. Das Logo, das mir am besten gefiel, zeigte
ein großzügiges Haus, an dem sich mehrere Engel zu schaffen machten. Einer putzte fliegend die Fenster im ersten Stock, einer
kehrte den Kamin, einer schnitt ebenfalls schwebend den großen Baum neben dem Haus und einer buk Brot in einem Ofen, wie ich
ihn mir beim Märchen von der Goldmarie immer vorgestellt hatte.
Ich drehte den Skizzenblock um, sodass Troll ihn sehen konnte, und zeigte auf diese Zeichnung. Troll grinste breit. »Aus dir
wäre vielleicht doch noch eine gute Werberin geworden.«
Im Laufe des Januars komplettierte Troll gemeinsam mit einigen ihrer zahllosen Bekannten Logo, Layout
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