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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schob. Ein Mensch. Ein Obdachloser,
     wie ich messerscharf aus dem Zustand seiner diversen übereinandergezogenen Kleidungsstücke schloss. Er war einen guten Kilometer
     von einem beliebten Kiosk-Treffpunkt seiner Kollegen entfernt. Vielleicht war er in der Straßenbahn eingeschlafen und eine
     Haltestelle zu weit gefahren. Ich erschrak, als die Gestalt sich aufrichtete, mich anstarrte und dann schwankend neben dem
     Tor stehen blieb, während ich den Wagen hineinfuhr, das Tor schloss und mich dem Haus zuwandte.
    Da ich den ganzen Tag Akquisegespräche geführt hatte, trug ich eine schwarze Hose und Jacke, eine weiße Bluse und dünne Lederschuhe
     und zog mich in der Küche um, dem einzigen Raum in diesem dunklen Haus, in dem ich mich einigermaßen wohlfühlte.
    Lisbeth hatte mir aufgeschrieben, welches Reinigungsmittel für welchen Zweck benutzt wurde. Die Küchenspüle aus Edelstahl
     benötigte ein anderes Mittel als die Wandverkleidung aus Granit, die sich an der Arbeitsplatte entlangzog. Auch die Arbeitsplatte
     aus geöltem Holz hatte speziellen Pflegebedarf, ebenso die Badezimmerarmaturen, Wannen und Toiletten. Die Kacheln benötigten
     ein eigenes Mittelchen und die Ablageflächen aus Stein natürlich erst recht.
    Der Staubsauger mit der rotierenden Kurzhaarbürste war für Flur und Diele geeignet, die Düse ohne Bürste für den langhaarigen
     Teppich im Wohnzimmer bei der Sitzgruppe und eine weitere Düse für den Perser unter dem Esstisch. Die Spülmaschine war auszuräumen,
     alle Böden zu fegen, die Küche feucht zu wischen, aber nicht mit demselben Pflegemittel wie die Böden im Badezimmer, denn
     dort lagen offenporige Terrakottaplatten, während die Fliesen in der Küche glasiert waren.
    Das ganze Haus war aufgeräumt, nirgendwo lagen dreckige Socken oder leere Chipstüten herum. Selbst die leeren Weinflaschen
     standen ordentlich in einer Ecke hinter der Küchentür. Ich war dem Hausherrn dankbar, wenngleich ich mich ein bisschen wunderte.
     War der Mann ein Pedant? Ein Spießer? War ein Mann, der Ordnung hielt, automatisch spießig? Oder fiel mir dieser Begriff nur
     ein, weil ich gerade an Greg denken musste und er ordentliche Männer gern als Spießer bezeichnete? Und warum musste ich in
     einer Situation, in der ich hinter einem Mann herräumte und sauber machte, an Greg denken? Ich versuchte nicht, die Antwort
     auf diese Fragen zu finden, denn im Grunde wollte ich nur schnell fertig werden, nach Hause fahren, eine Kanne heißen Erkältungstee
     trinken und dann ins Bett kriechen.
    Ich warf die Waschmaschine an und bügelte die Hemden, die letzte Woche gewaschen worden waren. Meine Bügelkünste waren mit
     Lisbeths nicht zu vergleichen. Weder vom Ergebnis noch vom Zeitaufwand. Während ich mehr als zehn Minuten pro Hemd brauchte,
     das dann auch noch den lausigen Kniff im Ärmel hatte, schaffte Lisbeth ein Hemd ohne Bügelfalten in vier Minuten. Ich mühte
     mich ab und verfluchte die Mode, die derartigen Blödsinn verlangte. Außerdem hatte Lisbeth mir von einer Feier am letzten
     Wochenende berichtet, für die sie Mettbrötchen vorbereitet hatte. Ich rechnete also damit, dass der Kühlraum für Getränke
     genutzt worden war und gewischt werden musste.
    Diese Einschätzung war korrekt. Leider sah die Kammer aus, als sei hier ein Fass Bier explodiert, anders konnte ich mir den
     durchdringenden Geruch und die Klebrigkeit an Wänden, Boden und Regalen nicht erklären. Ich putzte und wischte, bis mir der
     Rücken so wehtat, dass ich mich beim besten Willen nicht mehr bewegen konnte.
    Ich ließ die Außentür des Kühlraums offen, damit der Geruch nach Hopfen und Putzmittel sich verziehen konnte, während ich
     durch die Verbindungstür in die Küche ging und noch einen Kontrollgang durch das Haus machte. Ich war fertig. Im wahrsten
     Sinne des Wortes. In meinem Kopf braute sich ein gewitterartiger Schmerz zusammen, dessen erste Blitze zuckten, als ich mich
     bückte, um meine Businesskleidung aufzuheben und ins Auto zu bringen.
    Ich schloss die Haustür hinter mir ab und setzte mich ins Auto. Irgendetwas hatte ich vergessen, das spürte ich. Ich saß auf
     dem Fahrersitz und widerstand der Versuchung, die Stirn aufs Lenkrad zu legen und einzuschlafen. Auch ein Kopfschütteln brachte
     keine Erinnerung an das, was ich verzweifelt in meinem schmerzenden Kopf suchte, also startete ich den Motor.
    Das Geräusch weckte mich so weit, dass es mir einfiel: die Außentür des Kühlraums! Ich stieg

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