Schmutzengel
aus, ging ums Haus herum, stieß
den untergelegten Keil mit dem Fuß weg und warf die Tür der dunklen Kammer zu, ohne noch einen Blick hineinzuwerfen.
Dass das ein Fehler war, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Ich fuhr ahnungslos nach Hause, nahm zwei Aspirin, trank einen
Liter Erkältungstee und eine halbe Flasche Erkältungssaft und fiel ins Bett.
Als ich erwachte, war ich fest davon überzeugt, gerade erst eingeschlafen zu sein. Der Tag voller Kundengespräche, die wiederkehrende
Erkältung und die Arbeit bei Lauenstein hatten mich bis zur totalen Erschöpfung gefordert. Ich war eingeschlafen, sobald mein
Kopf das Kissen berührte. Jetzt, mitten in der Nacht, saß ich kerzengerade im Bett und hätte nicht sagen können, ob mich ein
Geräusch geweckt hatte oder mein Unterbewusstsein, ich wusste nur eins: Ich hatte die Außentür der Kühlkammer nicht abgeschlossen.
Abschließen ist eigentlich das falsche Wort, denn die Tür wird nicht mittels Schlüssel gegen unbefugtes Öffnen von außen gesichert,
sondern durch einen kleinen Hebel. Für diesen Hebel gibt es zwei Positionen. Steht er oben, ist die Tür verschlossen, steht
er unten, lässt sie sich auch von außen öffnen. Ich hatte während des Putzens den Hebel heruntergedrückt, als ich zwischendurch
kurz zu meinem Auto ging, um mir eine Kopfschmerztablette zu holen. Danach hatte ich vergessen, die Verriegelung wieder einzustellen.
Durch den Kühlraum konnte ein Einbrecher direkt in die Küche gelangen, denn die Zwischentür war nicht verschlossen.
Ich saß aufrecht im Bett, atmete röchelnd durch die verstopfteNase und hörte das bedrohliche Brodeln in den Bronchien, aber ich konnte mich nicht wieder hinlegen. Ich musste zu Lauenstein
und die Tür verriegeln.
Ja, vermutlich war es der Fieberwahn, der mich mitten in der Nacht aus dem Bett, in mein Auto und quer durch die Stadt zu
einem Kunden trieb, dessen Tür ich nicht abgeschlossen hatte. Jedenfalls waren die Straßen frei, kein Wunder, an einem saukalten
Dienstagmorgen um drei Uhr.
In Lauensteins Haus brannte Licht.
Morgens um drei.
Ich malte mir die schrecklichsten Szenen aus. Einbrecher hatten die offene Tür gefunden, waren ins Haus eingedrungen, hatten
Lauenstein auf einen Stuhl gefesselt und folterten ihn, um die Kombination des Safes aus ihm herauszupressen.
Er hatte doch einen Safe? Keine Ahnung.
Oder Lauenstein war längst tot und die Einbrecher räumten in Seelenruhe alles ab, was nicht niet- und nagelfest war.
Oder …
Durch die Gitterstäbe des Tors konnte ich plötzlich eine Gestalt am Küchenfenster vorbeihuschen sehen. Lauenstein!
Er hatte kein Klebeband über dem Mund und blutete auch nicht aus einer Platzwunde am Kopf, wie Überfallene das im Kino tun.
Aber er sah mit seinen hektischen Bewegungen auch nicht entspannt aus. Seine Frisur war unordentlich und der Grund dafür leicht
erkennbar, denn er fuhr sich fast ununterbrochen mit den Fingern durch das Haar.
Ich beobachtete ihn eine Zeit lang, wie er an allen möglichen Fenstern auftauchte, wieder verschwand, woanders auftauchte
und rastlos hin und her lief.
Mir wurden zwei Dinge klar: Erstens: Lauenstein lebte und war offenbar allein. Zweitens: Ich konnte hier und jetzt nichts
ausrichten.
Ich stieg wieder in den Wagen und drehte fest entschlossen den Zündschlüssel. Am nächsten Tag würde ich so früh es irgend
ging zu Lauensteins Haus fahren, den Hebel an der Kühlraumtür umlegen und hoffen, dass mein Versehen gar nicht entdeckt worden
wäre. Es wäre ja auch zu viel Pech, wenn gerade heute Nacht noch ein Einbrecher die Probe aufs Exempel machte und die Hand
an den Griff eben dieser Tür legte. Unwahrscheinlich.
Dachte ich.
Ich fuhr nach Hause und legte mich ins Bett.
Drei Stunden Schlaf später waren die Kopfschmerzen immer noch da, der Hals kratzte und die Nase lief, aber irgendwie würde
ich auch diesen Tag überstehen und morgen ginge es mir vielleicht schon wieder besser.
Dabei kam das Schlimmste erst noch.
Ich hatte kaum die erste Tasse Kaffee getrunken, als das Telefon klingelte. Ich erkannte die Nummer, die im Display erschien,
sofort. Lauenstein!
Ich meldete mich, wobei ich mir Mühe gab, freundlich und wach zu klingen.
Lauenstein klang gehetzt, als er seinen Namen nannte.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Lauenstein?«, fragte ich und hoffte, dass man das Zittern in meiner Stimme nicht hören konnte.
»Sie sind doch gestern mit Ihrer Arbeit
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