Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
überwunden und ist aktiv geworden. Sexuell
     aktiv. Zum Beispiel mit Helmi von der Fleischerei.«
    Ich starrte Lisbeth an. Der fette Hubert hatte eine Affäre gehabt? Mit der drallen Metzgerin? Und Lisbeth hatte das gewusst?
     Ich fiel aus allen Wolken.
    »Dann verstehe ich erst recht nicht, warum du ihn nicht viel früher verlassen hast«, stammelte ich.
    »So etwas tat man nicht«, erklärte Lisbeth schnörkellos. Sie füllte zwei Suppentassen mit Brühe und stellte sie mit einigen
     Scheiben Vollkornbrot auf den Tisch. Ich spürte einen leichten Appetit.
    »Aber er hat dich sogar betrogen«, wandte ich ein.
    »Nur selten«, entgegnete sie. »Für regelmäßige Affären fehlte ihm das Engagement.«
    Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Aber du hattest doch durch deine Arbeit immer wieder Kontakt zu Menschen, die anders gelebt haben und dir davon erzählt haben«,
     wandte ich ein. Dass das so war, wusste ich von Oma.
    Lisbeth lächelte. »Tja, Kind, und du weißt auch, dass es in Südamerika Naturvölker gibt, die nackt durch den Urwald laufen
     und ihre Nahrung mit Pfeil und Bogen jagen und trotzdem lebst du hier im schönen Deutschland.«
    Ich nickte verblüfft. Was hatte dieser Themenwechsel mit Lisbeths neuem Leben zu tun?
    »Warum gehst du nicht dorthin und machst es wie sie?«, fragte sie weiter.
    »Weil das eine andere Welt ist«, sagte ich. »Das ist eine Art   … Paralleluniversum.«
    »Genau«, sagte Lisbeth. »Und das dachte ich auch immer, wenn Hannelore mir von ihrem Leben erzählte. Von den Theaterbesuchen,
     ihrem Literaturzirkel, ihrer Freiheit.«
    Ich musste die Frage stellen, die mir im Kopf herumgeisterte, seit Oma mir davon erzählte, dass Lisbeth sich von ihrem Mann
     getrennt hatte.
    »Und du hast Hubert dann wegen einer zerbrochenen Tasse verlassen?«
    Lisbeth lachte. »Die Tasse war nicht die Ursache, sondern der Auslöser. Ich erkannte plötzlich in den Scherben, die ich vom
     Boden auflas, mein eigenes Leben. Wie Hubert mir dieses Leben kaputt machte. Die Tasse war nicht neu gewesen und hatte schon
     einige Sprünge, aber sie hätte noch gut und gern zwanzig Jahre in meiner Küche ein schönes Leben haben können. Doch Hubert
     kümmerte so etwas nicht. Er ließ sie achtlos fallen. Genauso wie mich. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Am selben
     Abend habe ich meine Koffer gepackt und bin zu deiner Oma gezogen.«
    Ohne, dass ich es wollte, musste ich an Greg denken. Warum kam er mir gerade jetzt in den Sinn? Der Gedanke, der sich hinterrücks
     in mein Bewusstsein schlich, stellte eine Verbindung zwischen Hubert und Greg her. Aber das war doch vollkommener Quatsch.
     Greg hatte nie faul auf demSofa gesessen und sich von mir bedienen lassen. Im Gegenteil. Niemand durfte seine Whiskyflasche anrühren. Außerdem hatten
     wir eine Gemeinsamkeit gehabt: Unsere Arbeit. Darüber hatten wir uns oft unterhalten. Na ja, meist hatte Greg geredet, aber
     das war ja auch ganz in Ordnung, denn er war der Kreative und daher hatte er die interessanteren Themen. Und ein weiterer
     grandioser Unterschied zwischen Hubert und Greg war natürlich das Aussehen. Greg sah einfach süß aus. Hubert nicht.
    »Aber warum hast du auch gleich deine Arbeit aufgegeben?«, fragte ich Lisbeth.
    »Da war es doch genau das Gleiche«, sagte Lisbeth. »Durch die häufigen Besitzerwechsel hatte immer irgendein grüner Junge
     als Geschäftsführer das Sagen. Die hatten doch von Nichts eine Ahnung. Immer hieß es: Lisbeth, Sie sind ein Engel, Sie machen
     das schon. So kam ich zu immer mehr Aufgaben, immer mehr Verantwortung, aber niemals zu Anerkennung oder vielleicht auch mal
     einer Gehaltserhöhung   … Auch das erkannte ich schlagartig – zugegeben: mit ein bisschen Unterstützung von deiner Oma.«
    Eine Zeit lang war nur das Klappern unserer Löffel in den Suppentassen zu hören. Die Brühe war wirklich köstlich. Stark, dunkel,
     belebend. Ich fühlte, wie ich etwas zu Kräften kam. Gleichzeitig war ich stolz darauf, dass diese gestandene Frau mit mir
     wie mit einer gleichberechtigten Vertrauten sprach. Nicht mehr wie mit der kleinen Enkelin ihrer besten Freundin, sondern
     von Frau zu Frau. Zwei Frauen, die beide ihr Leben in die Hand genommen hatten. Ich hätte platzen können vor Stolz.
    Im nächsten Moment hätte ich beinahe laut aufgelacht, als mir die grandiose Selbstüberschätzung bewusst wurde. Ich nahm mein
     Leben selbst in die Hand? Na ja, vielleicht hatte ich das mit dem Sprung in die

Weitere Kostenlose Bücher