Schmutzengel
Troll.«
»Ihr habt euch gestritten.«
Das war eine Feststellung, keine Frage. Ich nickte, meine Nase tief über den Teller mit dem hervorragenden Kichererbseneintopf
gebeugt.
»Worüber?«
»Sie hat sich in mich verliebt und ich habe sie im wahrsten Sinne des Wortes von der Bettkante geschubst«, murmelte ich.
»Ja«, erwiderte Lisbeth ungerührt, »das habe ich kommen sehen.«
Ich starrte sie an.
»Ich habe gleich bemerkt, dass Tabea Frauen bevorzugt«, sagte Lisbeth. »Und dass sie sich so für dich eingesetzt hat, muss
ja auch einen Grund gehabt haben, oder? Mit einem kleinen bisschen Menschenkenntnis sieht das doch jeder.«
»Aha.« Mit meiner Menschenkenntnis war es offenbar nicht sehr weit her, denn ich hatte sowohl Tabea als auch Lisbeth völlig
falsch eingeschätzt. Natürlich hatte ich bei AIQ die Andeutungen über Tabeas Liebesleben gehört und mir meine Gedanken gemacht,
aber ich hatte das nie mit mir selbst in Verbindung gebracht. Und ich hatte nie hinterfragt, warum Tabea das alles für mich
tat. Es war mir ganz natürlich erschienen. Dass ausgerechnet Lisbeth vom Lande jetzt hier saß und weltläufig über die homosexuellen
Neigungen meiner ehemals besten Freundin sprach, beschämte mich sehr. Ich erkannte, dass ich noch viel von ihr lernen konnte.
»War das die ganze Geschichte?«, fragte Lisbeth.
Ich schüttelte den Kopf und erzählte das bisher letzte Kapitel.
Lisbeth hatte inzwischen ihre Gelassenheit wiedergefundenund lauschte meinen Worten mit unbewegter Miene. Als ich geendet hatte, nickte sie. »Das erklärt einiges.«
Ich wischte den Teller mit dem Rest Brot sorgfältig ab und konzentrierte mich ganz auf diese Beschäftigung. Irgendwann war
das Porzellan aber wirklich rückstandsfrei sauber und ich musste reagieren. »Was erklärt es?«
»Die Tatsache, dass mir heute Morgen zwei Kunden ans Herz gelegt haben, die Werbestrategie zu überdenken, sonst würden sie
ihren Auftrag kündigen.«
»Wer?«, fragte ich.
Sie nannte zwei Namen. Der eine war ein ranghohes Tier bei einer Privatbank, der andere ein selbstständiger Unternehmens-
und Finanzberater. Seriöse Männer. Zumindest genossen sie einen solchen Ruf, und ich ging davon aus, dass sie den unter allen
Umständen verteidigen würden.
Diese Situation hätte mich schon normalerweise nicht vor Begeisterung vom Hocker gerissen, aber jetzt hatte ich den Eindruck,
man würde mir den Boden unter den Füßen wegreißen.
Lisbeth bemerkte, wie meine ohnehin hängenden Schultern noch einige Zentimeter weiter absackten, denn sie langte über den
Tisch und tätschelte meine Hand. Ich blickte sie dankbar an.
»Es ist nicht gut, dass du in dieser Situation vollkommen von Tabea abhängig bist«, sagte Lisbeth nachdenklich.
Damit hatte sie das Hauptproblem schön beschrieben.
»Ich habe eine Idee«, fuhr sie nach einigen Minuten Schweigen fort.
Das war genau das, was ich hören wollte. Ich setzte mich etwas gerader hin und lauschte ihren Ausführungen. Meine Stimmung
besserte sich mit jeder Minute, mein Kampfgeist kam zurück. Nach dem delikaten, kräftigenden Essen und einem schnellen Kaffee
verabschiedete ich mich von Lisbethmit einer festen Umarmung und düste nach Hause. Es gab einiges zu tun.
Unter der normalen Festnetznummer meldete Lauenstein sich nicht, also probierte ich die Mobilnummer, die er angegeben hatte.
»Beerdigungsinstitut Lauenstein, wie kann ich Ihnen helfen?« Das war seine Stimme. Ganz sicher. Er hatte ein Beerdigungsinstitut?
Warum war ich nicht früher darauf gekommen? Die gravierte Steinplatte über seinem Kamin, die seltsamen Statuen in seinem Garten
und die Laternen auf der Terrasse waren Grabsteine, Grabmäler und ewige Lichter. Und er umgab sich mit diesem Kram in seinem
Zuhause. Gruselig. Dabei hatte er an dem Sonntagmorgen in Jeans und Pullover ziemlich normal gewirkt.
»Leyendecker, hallo Herr Lauenstein.« Normalerweise bin ich etwas eloquenter.
»Haben Sie das Foto von der Internetseite genommen?«, fragte er ohne Umschweife und Begrüßungsfloskeln. Als Kunde durfte er
das natürlich, aber es tat weh. Ich biss die Zähne zusammen.
»Äh, nein. Um das zu tun, benötige ich eine Information von Ihnen.«
»Was denn?«
Ich bemühte mich, weiterhin verbindlich zu bleiben. »Haben Sie weitere E-Mails bekommen?«
»Nein.«
»Könnten Sie mir wohl die Liste der Adressaten von der ersten E-Mail senden?«
»Natürlich.« Er stockte. »Ich habe gehört, dass Sie
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