Schmutzige Haende
gesetzt. Man hatte beschlossen, ein wenig Durcheinander zu stiften. Man hatte Protektion versprochen. Man hatte das Gespenst des Separatismus heraufbeschworen. Sizilien sollte ein neuer amerikanischer Staat werden. Mafialand. Wie es bereits der Bankier Sindona vor einigen Jahren versucht hatte. Die Cosa Nostra hatte die Latte höher gelegt. Zu hoch. Die Massaker in Capaci und in der Via d’Amelio hatten jenseits des Ozeans, wo Falcone und Borsellino mehr Respekt entgegengebracht wurde als in ihrer Heimat, überraschende Reaktionen ausgelöst. Die Amerikaner hatten einen Schreck gekriegt. Und bald würde Clinton an der Macht sein, Clinton, der Demokrat. Die Amerikaner hatten sich zurückgezogen. Die Geschichte war also erledigt. Es war sinnlos, mit der Suche nach Auftraggebern, die man niemals finden würde, Zeit zu verlieren. Irgendein wütender Republikaner? Verrückt gewordene Mitglieder der Gesellschaft? Es war egal. Die Mafia war das einzige italienische Terminal. Die Mafia, die mittlerweile ganz alleine dastand. Genau das versuchte Scialoja bei seiner Rückkehr Camporesi zu erklären.
– Deshalb haben sie den Kontakt mit uns gesucht. Weil sie isoliert sind!
– Eigentlich suchen wir den Kontakt mit ihnen …
– Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Auf ihre Weise sind die Morde ein Angebot zu verhandeln. Sie haben den ersten Schritt gemacht. Jetzt müssen wir nur noch die Arschköpfe auf höchster Ebene überzeugen, dass wir ein Zugeständnis machen müssen. Irgendein Zugeständnis …
Was ihn anbelangte, war das Gespräch beendet. Aber Camporesi blieb wie angewurzelt vor dem Schreibtisch stehen, eine stumme Frage im Blick.
– Was gibt es noch? Darf ich erfahren, was es noch gibt?
– Wie ist die Reise gelaufen?
– Gut, einmal abgesehen von der Arbeit.
– Das Fräulein …
– Ja?
– Ist sie bei irgendwelchen Treffen dabei gewesen, haben Sie ihr etwas über Ihre Arbeit erzählt, haben Sie …
– Was wollen Sie sagen, Camporesi, sagte Scialoja, plötzlich steif.
– Was genau wissen Sie über sie, Herr Doktor?
– Wollen Sie, dass ich Ihnen meine lange und leidvolle Lovestory erzähle?
– Bei allem Respekt, aber ich glaube, dass ich die wichtigsten Details kenne.
– Dann geben Sie Ruhe und gehen Sie an die Arbeit!
– Warum ist sie ausgerechnet jetzt wieder aufgetaucht, Herr Doktor? Haben Sie sich das jemals gefragt? Warum gerade jetzt, wo Sie …
– Wo ich Vecchios Unterlagen besitze? Lässt Sie der Gedanke nicht los? Muss unbedingt etwas faul sein?
Scialoja war manchmal griesgrämig, manchmal zweideutig und widersprüchlich. Aber Camporesi hatte noch nie erlebt, dass er derart die Fassung verlor. Vielleicht wäre es klüger gewesen, den Rückzug anzutreten. Aber Scialojas Zorn hatte auch etwas Übertriebenes. Wie lange schleppte er nun schon diese Frau mit sich herum!
– Wenn Sie es mir erlaubten, Herr Doktor, könnte ich ein paar Nachforschungen anstellen …
– Raus. Aber sofort!
Aber der Zweifel war gesät. Oder besser gesagt, ausgegraben. Und wieder einmal begann das Gefühl der Unsicherheit an ihm zu nagen. Von allein wäre Scialoja nicht einmal auf die Idee gekommen, dass an Patrizias Rückkehr irgendetwas faul sein könnte. Er war kein argwöhnischer Polizist, der überall Böses vermutete. Aber irgendetwas Falsches, ein falscher Unterton, etwas Merkwürdiges und Sonderbares war auch ihm aufgefallen. Patrizia reiste gern. Patrizia genoss die Treffen, zu denen er sie mitnahm. Patrizia bewegte sich wie selbstverständlich in allen Milieus, in die er sie einführte. Patrizia liebte es, am Leben eines erfolgreichen Mannes teilzuhaben. Patrizia liebte erfolgreiche Männer. Patrizia liebte den Erfolg.
Unter dem Vorwand einer überraschenden Dienstreise zog sich Scialoja zwei oder drei Tage zurück. Er selbst stellte ein paar kleine Nachforschungen an. Dabei entdeckte er ein Detail, das ihn anfangs verunsicherte. Dann überkam ihn eine subtile Angst. Und schließlich eine mörderische Wut. Eines Sonntagmorgens beschloss er, sie zur Rede zu stellen. Trotz des Regens joggte sie in der Villa Ada. Vor dem Stamm einer mächtigen Libanonzeder nagelte er sie fest und fragte sie, warum sie ihn belog. Patrizia wurde blass. Scialoja verspürte einen Stich ins Herz.
– Ich habe mit Secco gesprochen. Ihr habt euch seit Dandis Tod nicht mehr gesehen. Ihr seid nicht zusammen. Du hast mich angelogen. Ich will wissen, warum!
Patrizia schob sich die nassen Haare aus der Stirn und sah ihn
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