Schnabel, Andreas
Rotor zum Stillstand gekommen war, öffnete sich die Seitentür der Maschine, und Gómez Henriquez sprang heraus. Mit großer Fürsorge half er Annmarie Momperen, die durch ihre verletzte Schulter gehandicapt war, aus dem Hubschrauber und führte sie zur Hausherrin.
»Condesa Rosa«, sagte er hocherfreut, »ich bin untröstlich, dass mir immer nur die Arbeit das Glück eines Treffens mit Ihnen beschert.« Er begrüßte sie mit einem formvollendeten Handkuss. »Darf ich ihnen Frau Dr. Annmarie Momperen vorstellen? Ich glaube, über ihre Geschichte muss ich Ihnen nichts erzählen.«
Rosa machte lächelnd einen Schritt auf Annmarie zu und drückte ihr die gesunde Hand. »Madame Momperen, herzlich willkommen auf meiner Finca. Entschuldigen Sie bitte das Irrenhaus, das Sie hier gleich erleben werden, aber wir geben am kommenden Wochenende einen großen Empfang, und große Ereignisse werfen bekanntlich Schatten.«
Annmarie war noch ganz von dem Gefühl überwältigt, hier auf europäischem und damit für sie sicheren Boden zu stehen. »Ich fühle mich geehrt, Gräfin Rosa, hier sein zu dürfen.«
»Wir versuchen nur, an Ihnen, Frau Doktor, das wiedergutzumachen, was Ihnen die Insel angetan hat.«
»Es war nicht die Insel, Gräfin, es waren einige wenige Menschen, die mir das angetan haben. Aber andere Menschen, die mir unter Einsatz ihres Lebens zurück in die Freiheit geholfen haben, haben das längst wiedergutgemacht.«
»Kinder, wenn man uns bei diesem gestelzten Kauderwelsch zuhört, wird einem ja schwindelig.« Rosa nahm ihren Gast nun vorsichtig, aber herzlich in den Arm. »Bitte nennen Sie mich Rosa.« Sie zeigte auf ihre beiden Begleiterinnen. »Das sind zwei meiner besten Freundinnen, Angela und Carmen. Leider Gottes sind sie Polizistinnen, wie fast alle meine Lieben, aber das ist es auch, was das Leben hier so bunt macht.«
Vor ihnen ertönte ein beleidigtes Grunzen.
»Und bei der Vorstellung der Bewohner der ›Finca Limonera‹ darf natürlich das gräfliche Haus-, Hof-und Kampfschwein Filou ebenso wenig fehlen wie sein Freund Shakespeare. Hund und Schwein werden für Ihre Sicherheit garantieren, solange Sie hier wohnen.« Als ob Filou jedes Wort verstanden hätte, setzte er sich sofort brav neben Annmarie, und der Hund tat es ihm nach.
»Diese Finca hat zu Ihrem Schutz aber auch noch einen Saurier zu bieten«, ergänzte Tante Auguste. Sie hatte sich von hinten mehr oder weniger angeschlichen.
Rosa wurde formell. »Ihre Königliche Hoheit Großherzogin Auguste von Schleswig-Holstein Gottorf.«
Mit dem formvollendeten Hofknicks klappte es bei Annmarie der Schulter wegen nicht so recht. Die Drainage war zwar schon gezogen, der Arm aber noch immer fest in einen Gilchristverband eingebunden.
»Bleiben Sie senkrecht, mein Kind. Nach allem, was ich über Sie gehört habe, müsste ich vor Ihnen knicksen.«
Nun hatten es auch Berger und der Comisario zum Parkplatz geschafft. »Dem können wir uns nur anschließen, Madame Momperen. Mein Name ist Michael Berger, ich bin der Grafgemahl in spe, und das ist Comisario García Vidal von der Policía National. Er wird Ihnen den Abend mit endlosen Fragen verderben.«
»Vorher wird aber noch gegessen«, sagte Gräfin Rosa und bat die Gesellschaft ins Haus. »Dabei kann uns Gómez erzählen, was er alles recherchiert hat.«
*
Nach einem recht fröhlichen Essen – die beim Einsatz angeschossenen Kollegen und Olivia waren außer Lebensgefahr und versorgt, und die Freifrau schien auch über den Berg zu sein – hatte Annmarie vor versammelter Mannschaft ihre Geschichte erzählt. Sie war schon mehrfach in Mallorca gewesen und hatte regelmäßig Wellness-Kurse, die Peer Gunnarsson mit Isabell Svensson zusammen in den Hotels abgehalten hatte, gebucht. Das Bild des toten Serge ließ sie zusammenzucken. Er war es, der sie zu Verhören von einem Kellerverlies zum anderen geschleift und ihr dann die Augen verbunden hatte, damit sie den Mann, den er Padrón nannte, nicht erkennen konnte.
»Ist Ihnen an seiner Stimme etwas aufgefallen oder haben Sie seine Hände sehen können?«, fragte García Vidal.
»Nein, sehen konnte ich nichts. Aber es war die Stimme eines älteren Mannes. Bei meinem ersten Mallorcaurlaub hatte ich einen Kurs ›Entspannung unter Hypnose‹ belegt. Die Stimme und Aussprache des Mannes erinnerten mich an den Dozenten, einen gewissen Señor Bonifac Diaz. Ich erinnere mich so genau an seinen Namen, weil er vorgab, ein Mallorquiner zu sein, sich aber,
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