Schnabel, Andreas
jedoch nicht ausgereicht zu haben. Wie in Zeitlupe drehte sich Krause um und schlug ihr mit gestrecktem Arm die Faust ins Gesicht. Carmen ließ vor Schreck die Waffe fallen und stürzte rücklings ins Nachbarbüro. Mit wutverzerrtem Gesicht hob Krause die andere Hand mit der Pistole und zielte auf sie.
Carmen schloss die Augen und wartete auf den Knall.
Er war leiser als gedacht und irgendwie ziemlich weit entfernt. Sie spürte auch gar nicht, dass ein Projektil in ihren Körper drang, sie hörte nur etwas vor sich auf den Boden plumpsen. Vorsichtig öffnete Carmen die Augen und sah Krause vor sich liegen, um seinen Kopf herum eine pulsierend immer größer werdende Blutlache. Sie blickte nach oben und sah einen völlig entsetzten Hidalgo, die Pistole noch immer im Anschlag. »Scheiße, das wollte ich nicht, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen«, sagte er betroffen.
Carmen rappelte sich auf. »Das wollte niemand, Zacarias, aber Sie hatten keine andere Wahl, um uns zu retten.«
Hinter dem Tresen hörten sie ein leichtes Stöhnen. Sie richteten Annmarie mit ihrem Stuhl zusammen auf, bevor sie mit einem Messer ihre Fessel löste. Völlig benebelt öffnete sie ihre Augen.
»Carmen, was machen Sie denn hier? Vorsicht, der Padrón versteckt sich hinter einem liebenswürdigen alten Mann. Er ist eine Bestie.« Tränen der Angst rannen ihr über die Wangen.
Carmen nahm sie schützend in ihre Arme. »Es ist alles vorbei, meine Liebe. Wir haben ihn erledigt. Er wird Ihnen nie wieder etwas tun können. Sie sind in Sicherheit.«
In diesem Augenblick stürmten SEK -Beamte, gefolgt von García Vidal, die Büros.
»Carmen, wo bist du?«
»Hier hinten, Chef. Die Gefahr ist beseitigt. Machen Sie aber nicht so einen Krach, wir sind im Moment etwas schreckhaft.«
Nun kamen auch Berger und die Gräfin herein. Während sie sich gleich mit Carmen um Annmarie kümmerte, sah der Residente, dass Hidalgo ebenfalls Hilfe benötigte. Er zitterte noch immer am ganzen Leib. »Ich habe in solchen Situationen immer irgendetwas getan«, sagte er leise. »Waffe nachladen oder Weste sauber machen. Damit habe ich das Zittern überspielen können, und das sah sehr cool aus.«
Hidalgo war dankbar für diesen Tipp und begann, auf seinem Kittel herumzuwischen. »Ich bin eine lächerliche Figur des Jammers.«
»Nein, Zacarias, Sie und Ihr Undercoverdress werden in die Geschichte der Policía Municipal eingehen.«
DREIZEHN
Tante Auguste meinte, dass ihm der Smoking, den er trug, wie auf den Leib geschneidert sei. Berger selbst empfand ihn als Zwangsjacke. Die Fliege, die ihm Gräfin Rosa dazu verordnet hatte, schnürte ihm die Luft ab. Aber ohne ging es nicht, selbst Filou hatte zur Feier des Tages eine um, er trug sie allerdings mit sehr viel mehr Würde, als es der Residente vermochte.
»Mein zukünftiger Gemahl sieht zum Anbeißen aus, wenn ich das so sagen darf.« Rosa kniff ihm liebevoll in den Hintern. »Und jetzt, wo Sie das Ding endlich anhaben, möchte ich es Ihnen auf der Stelle vom Leibe reißen.«
»Ach«, raunte Berger ihr von der Seite zu. »Wenn Sie bitte sofort tätig werden wollen, dann können wir uns den Rest des Abends sparen.«
Die Schlange der wartenden Gäste, die sie mit der Großherzogin und Filou zusammen begrüßten, schien kein Ende zu nehmen, und bei jedem Paar, das vor Tante Auguste knickste und dienerte, las Anatol, ganz vollendeter Hofmarschall, Rang und Namen der betreffenden Personen von den jeweiligen Visitenkarten vor.
Berger war überzeugt, dass selbst die Großherzogin höchstens fünf Prozent der an ihnen vorbeidefilierenden Menschen kannte. So machte er gute Miene zum bösen Spiel und wartete darauf, dass das Buffet eröffnet wurde. Es sollte an festlich geschmückten Stehtischen eingenommen werden, die rund um den großen Pool verteilt waren. Vorher gab es aber noch eine Rede der Großherzogin, in der sie dann wohl auch ihre Entscheidung über die Adoption bekannt geben würde.
»Meine Damen und Herren«, begann sie, »ich danke Ihnen sehr herzlich im Namen meines Hauses, im Namen meiner Nichte und im Namen ihres zukünftigen Gemahls für Ihr zahlreiches Erscheinen. Ich bin nun in einem Alter, in dem ich darüber nachdenken muss, wer eines Tages Chef im Hause Schleswig-Holstein Gottorf werden soll, da mein Mann und ich leider nicht mit Kinder gesegnet waren. Dafür bereicherte Gott mein Leben mit einer entzückenden Nichte, die mir mit ihrem gesamten kleinen gräflichen Hofstaat unendlich ans
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