Schnabel, Andreas
morgen?«
»Ja, natürlich. Das BKA hat mich, da es sich bei den beiden um Bundesbürger handelt, inzwischen übrigens ganz offiziell mit dem Fall beauftragt.«
»Dann morgen um acht Uhr in meinem Büro, Frau Kollegin?«
»Okay, aber lass uns nachher noch mal telefonieren, wenn du allein bist.«
»Okay.« Er gab ihr einen Luftkuss und legte auf.
Berger verzog das Gesicht. »Acht Uhr. Gehe ich recht in der Annahme, dass ich eine dementsprechend kurze Nacht haben werde?«
»Selbstverständlich, lieber Residente. Was wollen Sie auch mit einer langen Nacht? Sie sind mit ihrer Gräfin ja nicht einmal offiziell verlobt.«
*
Annmarie konnte zum ersten Mal seit Langem Erleichterung darüber empfinden, dass ihr der in letzter Zeit oft gehegte Wunsch, es möge sie jemand töten, bisher nicht erfüllt worden war. Es konnte sich ihr wieder ein Mann nähern, ohne dass sie Panik befiel, und ihr war sogar die Wärme, die er ihr spendete, angenehm. Schon seit mehreren Minuten genossen sie schweigend miteinander den unglaublichen Sternenhimmel über der Sahara.
»Ich kann gar nicht glauben«, sagte sie in die Stille, »dass nur jeder gute Mensch, der stirbt, zu einem Stern wird.«
»Da gebe ich dir recht. Der Himmel wäre niemals so voll, wenn da oben nicht auch die Arschlöcher funkeln würden.«
Sie musste jetzt sogar lachen. »So ein Wort aus dem Mund eines Muslims?«
»Warum nicht? Ich durfte, Allah sei Dank, meine Schulzeit in einem französischen Internat verbringen. Ich bin Muslim und dennoch weltlich erzogen worden.«
»Warum dankst du deinem Gott dafür?«
»Es war erstens eine unheimlich schöne Zeit, und zweitens habe ich das große Glück, nicht zu einem Fundamentalisten erzogen worden zu sein.«
»Blieb dir die Koranschule somit erspart?«
»Im Gegenteil. Wir hatten bei einem weltlichen Professor der Theologie sogar sehr guten Koranunterricht. Niemand hätte uns Kindern Allahs Gesetz besser und ehrfürchtiger vermitteln können als dieser Mann. Er lehrte uns, dass der Islam eine friedliebende Religion ist, die an das Gute im Menschen glaubt.«
»Dann muss ich ihm wohl dankbar sein.«
Er beugte sich vor, um ihr ins Gesicht sehen zu können. »Wieso?«
»Weil du ohne diese weltliche Erziehung vorhin von deinem Recht als Ehemann Gebrauch gemacht hättest. Was hat dich eigentlich daran gehindert?«
Er überlegte kurz. »Es lag wohl daran, dass mir der Gedanke unerträglich ist, einem Menschen, der mir anvertraut wurde, Gewalt anzutun.«
»Wieso Gewalt? Ich habe mich dir doch dargeboten. Habe ich dabei etwas falsch gemacht?«
»Ich denke, es waren deine Augen, die mich daran gehindert haben, diese Gelegenheit zu nutzen.«
»Ich habe gehört, es soll eine zweite Frau für dich im Lager sein.«
»Ja, ein junges Mädchen aus einem anderen Stamm.«
»Und wie wirst du mit ihr verfahren?«
»Du wirst lachen, aber genau darüber habe ich vorhin nachgedacht, als du kamst. Wenn sie mich genauso verzweifelt ansieht, wie du es getan hast, werde ich wohl ein Problem bekommen.«
Sie begannen nun sogar unter der Decke zu frösteln. »Lass uns wieder reingehen«, sagte Yussuf. Annmarie nickte.
Es waren kaum hundert Meter bis zum Lager, dennoch waren sie beide durchgekühlt, als sie Yussufs Zelt betraten. Aber darin war es nicht unbedingt kuschelig warm. Eilig schlüpften sie unter die Decken und versuchten, ihr Lager mit der eigenen Körperwärme anzuheizen.
»Wo kommst du eigentlich her?«, fragte Yussuf nach einer Weile.
»Aus Luxemburg.« Annmarie war froh, dass er nicht versuchte, sie dazu zu bewegen, mit unter seine Decke zu kommen.
»Möchtest du davon erzählen?«
»Morgen vielleicht.«
Sie versuchten einzuschlafen, doch Annmarie hatte ebenfalls noch eine Frage.
»Yussuf, was soll nun aus uns werden? Du hast mich als dein Weib angenommen. Wie sollen wir miteinander leben?«
Er lächelte. »Hab keine Furcht. Solltest du mir eines Tages sagen, dass du mich niemals lieben kannst, werde ich dich freigeben.«
»Und was wird sein, wenn du mich nicht lieben kannst?«
»Dann hast du deine Ruhe.«
DREI
Obwohl das Meeting erst um acht Uhr in García Vidals Büro stattfinden sollte, trafen sich alle dort Erwarteten zufällig schon gegen sieben Uhr in der Bar Sa Plaça. Um diese Zeit war der für eine Bar völlig untypisch große, annähernd quadratische Schankraum mit Bauarbeitern und Landwirten, die sich vor der Arbeit ein schnelles Frühstück und ein Schnäpschen genehmigten, gut gefüllt.
»Wenn alle
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