Schnabel, Andreas
»So eine Frau wäre mir aufgefallen. Wir sind ja hier schließlich nicht auf dem Bazar.«
Der Comisario bedankte sich und fuhr weiter. »Dann soll es eben die Finca Zarzarrosa sein«, verkündete er.
»Zeigen Sie denen Ihren Ausweis, oder geben wir irgendeinen anderen Grund an, weswegen wir die Wellness-Farmer aufsuchen?«
García Vidal zuckte mit den Achseln. »Ich denke, ich werde mich von der Situation inspirieren lassen.«
»Davon halte ich gar nichts.« Berger verschränkte die Arme vor der Brust. »Nachher werden Sie noch von einer mentalen Leere überwältigt, und ich bin dann wieder der Ork, der einer Schönheitsbehandlung bedarf.«
*
Annmarie hätte es nie für möglich gehalten, dass es mitten in der sonst so trostlosen Sahara einen Flecken gab, der so umwerfend schön war. Yussuf führte sie an einen kleinen, von Palmen umringten See, dessen Wasser von einem bestechenden Blau war.
»Bei Gott, das ist der schönste Ort, den ich je gesehen habe. Zu welcher Stadt gehört diese Oase?«
»Wenn man überhaupt davon sprechen kann, dann gehört sie dem Stamm der Al Madgier. Sie liegt geografisch auf unserem Stammesgebiet.«
»Und was muss man machen, um sich mit diesem Wasser erfrischen zu dürfen?«
»Man preist die unendliche Güte Allahs und dankt ihm für die Eingebung, diesen Ort gefunden zu haben. Dann lässt man seine Kamele saufen, danach die Kinder und Frauen, und wenn man schließlich den eigenen Durst gestillt hat, zieht man in Frieden und Glück seiner Wege.«
Stumm setzte sie sich an den schmalen Sandstrand und genoss den überwältigenden Anblick, den sie als Balsam für ihre von der Wüste traktierten Augen empfand. Er setzte sich neben sie, und sie schwiegen eine Weile.
»Yussuf, das Einzige, was du von mir weißt, ist, dass ich aus Luxemburg stamme.« Sie beobachtete aus dem Augenwinkel heraus seine Reaktion. »Interessiert es dich gar nicht, was ich sonst so mache, wie alt ich bin, ob ich in meiner Heimat möglicherweise noch verheiratet bin und vielleicht sogar Kinder habe?« Sie konnte in seinem Gesicht nichts weiter als ehrliches Staunen erkennen.
»Nein. Eine Frau, die derartig schön ist, kann keinen Beruf haben, sonst hätte sie gar nicht die Zeit, sich so zu pflegen, wie du es getan haben musst. Schau dir unsere Frauen an, und du wirst feststellen, dass man deutlich sieht, dass du noch keine Kinder haben kannst.« Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Und einen Mann darfst du nicht haben, sonst könnte ich dich nicht mehr beschützen. Du wärest Malala ausgeliefert, und das darf nicht sein.« Er sah sie fast ängstlich an. »Hast du einen Mann?«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, Yussuf, ich bin nicht verheiratet, und es gibt auch keinen anderen Mann. Ich bin allein.«
»Aber es muss einen Mann in deinem Leben geben haben. Für wen ist eine Frau sonst so schön?«
»Ich bin mit meinem Beruf verheiratet. Ich bin Anästhesistin an einem großen Trierer Krankenhaus.«
Sein Blick wurde wehmütig. »Ärztin, das ist ein schöner Beruf. Ich wäre nach meiner Schulzeit in Paris auch gern Arzt geworden, aber meine Familie war dagegen. Ich musste zum Militär, um Berufsoffizier zu werden.«
»Wie alt bist du, wenn ich fragen darf?«
»Ich bin vierunddreißig Jahre alt.«
Sie lachte auf. »Yussuf, man hat dich mit einer älteren Frau verheiratet, und mein Zwangsaufenthalt in der Wüste hat mich ganz bestimmt nicht jünger gemacht. Ich bin achtunddreißig.«
Er zog die Beine an und stützte sein Kinn auf die Knie. »Sei’s drum. Heute Abend wird mir von Malala ein Kind von knapp zwölf Jahren zugeführt werden. Sag mir, was soll ich mit so einem Küken anfangen?«
»Werde ihr väterlicher Freund.«
»Man erwartet morgen ein blutgetränktes Laken. Malala wird auch wieder ihre Lauschposten an meinem Zelt postieren.«
»Ach, daher wusste sie, dass ich dir heute Nacht nicht genügen konnte. Ihr Hass mir gegenüber quoll ihr heute Morgen förmlich aus den Augen.«
Er saß da wie ein Häuflein Elend. »Ich bin mir nicht sicher, wer da wem nicht genügen konnte und somit die Schuld daran trägt.«
Sie beschloss, später über seine Worte nachzudenken, im Augenblick zog sie das blaue Wasser geradezu magisch an. »Tun wir etwas Verbotenes, wenn wir hier zusammen baden? Ich habe das Bedürfnis, all unsere Sorgen, wenn auch nur für kurze Zeit, fortzuspülen.«
Sein Gesicht hellte sich auf. »Wie soll es verboten sein, wenn ein Al Madgier es dir erlaubt?« Er erhob
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