Schnabel, Andreas
»konnte unsere Kleine nicht mehr leben.« Er hatte Tränen in den Augen. »Warum ist sie mit diesem Problem nicht zu mir gekommen?«
»Um Sie da nicht mit reinzuziehen.« Berger legte tröstend einen Arm um die Schultern des gebrochenen Mannes. »Das heißt nicht, dass sie Ihnen nicht vertraut, Zacarias, sondern dass sie Sie und Ihre Frau schützen wollte.«
Sicher hätte Hidalgo es noch vor Minuten nicht für möglich gehalten, einmal wirklichen Trost zu empfinden, wenn ausgerechnet Berger ihn mit seinem Vornamen anredete. Doch jetzt straffte er die Schultern. »Ich danke Ihnen, mein Freund.«
Carmen unterbrach diesen stillen Moment in der hektischen Ermittlungsphase. »Ich habe gute Nachrichten aus der Klinik. So, wie es aussieht, ist Camila über den Berg. Morgen früh werden wir sie vernehmen können.«
Der Comisario konnte selbst kaum glauben, was nun deutlich auf der Hand zu liegen schien. »Leute, es sieht so aus, als ob auf Mallorca jemand schöne blonde Frauen in den Orient verhökert und ihnen vorher nach allen Regeln der Kunst das Geld abzieht. Wo leben wir hier eigentlich?«
»Dabei scheint die Haremsnummer«, ergänzte Berger, »ja nur die gewinnbringende Zweitverwertung zu sein. Primär werden reiche Menschen ohne Angehörige entführt, ihre Konten geplündert und die weniger hübschen umgebracht, weil geile Scheiche bei ihnen keinen hochkriegen.«
»Hasta la vista, Señor Padrón«, zischte García Vidal böse. »Wer immer und wo immer Sie sind, Sie sollten sich warm anziehen. Wir haben ein Auge auf Sie.«
*
Es war schon weit nach Mitternacht, als Berger endlich auf der gräflichen Finca eintraf. Eigentlich hatte er in seiner Wohnung in Santanyí schlafen wollen, es war ihm dort aber zu einsam. Er brauchte, wenn es in einem schwierigen Fall nicht so schnell voranging, wie er es gern hätte, immer jemanden, mit dem er sich unterhalten konnte, der ihm Wärme gab. Aber es schlief schon alles im Haus. So nahm er sich aus der Küche ein Glas und eine angebrochene Flasche Rotwein, ging auf die Terrasse hinaus und setzte sich an den Rand der Klippe. Er liebte es, um diese Stunde dort zu sitzen und dem Meer zuzuhören. Er hatte sein Glas noch nicht einmal voll gegossen, da hörte er schon Filous kleine Hufe und fühlte den weichen Rüssel an seinem Arm.
»Na, mein kleiner Freund, du spürst wohl ganz genau, wenn ich jemanden zum Quatschen brauche, oder?«
Ein zufriedenes Grunzen bestätigte seine Theorie. Er hob seinen Arm, und das Schwein legte sich neben ihn, schaute ihn noch kurz prüfend an und legte dann den Kopf auf seinen Schoß.
Berger kraulte seinen kleinen Freund zwischen den Ohren. »Ach, Filou, du bist so ein kluges Geschöpf und hast schon so oft den richtigen Riecher gehabt. Grunz mir doch mal, was wir machen sollen. Oder wer als Padrón die Insel unsicher macht.«
Er spürte, wie sich auf leisen Sohlen jemand hinter ihn kniete und an seinen Rücken lehnte. Er genoss den Kuss, den die Gräfin ihm auf seinen Nacken gab. »Guten Abend, mein Liebling. Ich hoffe doch sehr, dass ich die Männerrunde jetzt nicht sprenge?«
Er beugte seinen Kopf so weit zurück, dass sie ihn bequem auf den Mund küssen konnte. »Absolut nicht, mein Schatz. Sie sind nicht nur der härtere Kerl, sondern auch das zärtlichere Schwein.«
Die Gräfin lächelte. »So ein schönes Kompliment habe ich noch nie bekommen.« Sie streichelte seinen Kopf. »Konnten wir Ihnen mit unserem Opernführer vorhin weiterhelfen?«
»Ihr Tipp war quasi der Durchbruch.« Berger brachte sie auf den neusten Stand.
Als er geendet hatte, schwiegen sie eine Weile miteinander.
»Haben Sie einen kleinsten Verdacht, wer dieser Padrón sein könnte?«, fragte Rosa dann.
»Nein, und genau das macht mich wahnsinnig. Wir können ja noch nicht einmal sagen, ob der Padrón ein Mann oder eine Frau ist. Jetzt, da unsere beiden Opfer verbrannt sind, ist die Beweislage noch dazu um ein Vielfaches jämmerlicher.«
Sie nahm einen Schluck Rotwein aus seinem Glas, streifte ihm das T-Shirt über den Kopf und begann vorsichtig, Bergers Nackenpartie zu massieren. »Steht die Wellness-Finca denn noch immer auf eurer Verdächtigenliste? Die Observation war doch bisher eher eine Nullnummer.«
»Cristobal wäre dämlich, wenn er den Verdacht nicht aufrechterhalten würde. Auf diese Weise ist der Staatsschutz eingebunden, und es geht nicht alles über seine Kostenstelle. Doch obwohl wir da bisher nichts gefunden haben, stinkt es bei den Wellness-Gurus.
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