Schnabel, Andreas
meine Herren, das ist Frauenpower.«
»Es ist hart an der Grenze«, entgegnete Andrea Bastos. »Stell dir nur einmal vor, das Mädel wird nicht gleich wach, sondern aspiriert Wasser.«
»Um die Belegschaft einzuschüchtern, muss man solche Nummern durchziehen. Und sie kann es sich bei dem Ruf, der ihr durch die Gäste vorauseilt, leisten. Die Leute kuschen.«
Ein Kollege meldete sich. »Hier wird ein Handy angeschaltet, das wir bisher nicht geortet hatten.«
»Kannst du dich einhacken?«
»Da gibt es nichts zu hacken. Der oder die telefoniert nicht.«
Carmen stellte sich neben den Kollegen und schaute gebannt auf den Bildschirm.
»Jetzt wird eine SMS verschickt.« Er versuchte, sie zu entziffern. »Das ist, glaube ich, Deutsch. Du kannst doch Deutsch, Carmen, was steht da?«
»Wie sollen wir reagieren?«, las sie vor. »Es gibt hier auf der Finca neue Chefs. Hat das seine Richtigkeit?«
»Aha«, murmelte Andrea. »Es formiert sich Widerstand. Kannst du das Handy räumlich orten?«
»Wenn es noch angeschaltet wäre, ja, aber der Besitzer hat es nach Absetzen der SMS gleich wieder ausgeschaltet.« Er klickte die Liste der bereits georteten Handys an und wartete einen Moment. »Da haben wir den Bösewicht. Diese Nummer hat sich kurz vor Absetzen der SMS ausgeloggt und ist jetzt wieder aktiv. Er oder sie könnte sich kurz einer anderen SIM -Karte bedient haben.«
»Kannst du sehen, wo sich die Person befindet?«
»Sí, am Empfangstresen.«
In einem Konferenzraum der Finca Zarzarrosa saßen Carmen und Angela einige Minuten später einer völlig verschreckten jungen Frau gegenüber.
»Mein Name ist Carmen Lukas von der Policía National, und das ist Angela Bischoff von der deutschen Polizei.«
Die Augen der Frau wurden immer größer. »Sie sind von der Polizei? Bin ich jetzt verhaftet?«
»Um es offen zu sagen: Das hängt ganz von Ihnen ab.«
»Was wirft man mir vor?«
»Noch nichts. Aber fangen wir vorn an. Ihr Name ist Karin Andermatt?«
»Ja.«
»Sie sind Schweizer Staatsbürgerin.«
»Ja. Ich arbeite seit der Eröffnung vor drei Monaten hier auf Zarzarrosa.«
»Was ist Ihr Aufgabenbereich?«
»Ich bin ich als Physiotherapeutin eingestellt worden, helfe aber, wenn es eng wird, außerdem am Empfang aus. Wie es alle anderen auch tun.«
»Frau Andermatt, Sie haben vor einer halben Stunde von Ihrem Handy aus mit einer anderen SIM -Karte eine Art Notfall- SMS abgesetzt. Ist das richtig?«
Sie bekam einen knallroten Kopf. »Das stimmt.«
»An wen ging die?«
»An den Padrón.«
»Wer ist das?«
»Es mag sich abenteuerlich anhören, doch ich weiß es nicht. Das weiß hier niemand, bis auf unsere Chefin natürlich, aber die ist verschwunden.«
»Und wer hätte es noch wissen können?«
»Peer, ihr Freund. Aber der ist ja tot.«
Angela musterte sie genau. »Und Sie fanden es gar nicht seltsam, dass Sie für einen Menschen arbeiten, der sich niemals blicken lässt und nur wie ein Phantom über allem schwebt?«
Sie kramte ein Tempotuch aus der Hosentasche und schnäuzte sich. »Ist das nicht sogar normal? Unsere Geschäftsführerin, Frau Dr. Svensson, hat hier die Anweisungen gegeben. Sie hat sich um uns gekümmert, und das Geld am Monatsende stimmte auch. Das ist doch das Wesentliche. Wo ist Dr. Svensson eigentlich, wissen Sie das?«
»Nein, das können wir Ihnen auch nicht sagen. Nach ihr wird gefahndet.«
»Und weswegen, wenn ich fragen darf?«
»Im Zusammenhang mit dem Tod von Peer Gunnarsson.«
Frau Andermatt lachte auf. »Das glauben Sie doch wohl selbst nicht. Die haben sich geliebt!«
»Wir ermitteln nicht gegen sie als Tatverdächtige, sondern wollen sie als Zeugin vernehmen. Aber noch mal zu Ihrer SMS . Warum haben Sie die abgesetzt?«
»Weil ich mich dazu verpflichtet fühlte. Würden Sie es etwa als normal einstufen, wenn plötzlich eine Horde von Faschisten mit Gewalt und einem sogenannten Dienstschwein in Ihr Büro stürmt und einen Ihrer Kollegen in den Pool wirft?« Sie funkelte Carmen böse an. »Und jetzt sagen Sie bloß nicht, Sie haben keinen Pool in Ihrer Dienststelle.«
Carmens Gesichtsausdruck wurde versöhnlicher. »Erstens haben wir den wirklich nicht, und zweitens hätte ich unter diesen Umständen wahrscheinlich genauso gehandelt. War die SMS Ihre Idee, oder war das für den Notfall so vorgesehen?«
»Die SIM -Karte liegt zusammen mit schriftlichen Anweisungen für Notfälle in einem gesonderten Umschlag am Tresen.« Sie musterte nun ihrerseits Carmen und Angela.
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