Schnappschuss
fünfzig Fotos, kehrte aufs Revier zurück und übertrug sie auf den Computer. Als er genug hatte von dem Mordfall McQuarrie, machte er sich auf die Suche nach Natalie Cobb.
»Andrew Asche?«, fragte er einen jungen Mann vor einer Wohnung in der Salmon Street.
»Ähm, ja«, antwortetet der Bursche in der Haustür.
»Sehr sicher scheinen Sie da nicht zu sein.«
»Ich bin Andy Asche.«
Scobie tat, was er immer tat, versuchte die Körpersprache zu deuten, achtete auf erste Anzeichen, dass Andy Asche log oder sich schuldig fühlte. Ellen hatte diese Gabe, Challis ebenfalls, doch an Scobie schien das völlig abgeperlt zu sein. Er erzielte seine Ergebnisse dank seiner Hartnäckigkeit und der Einhaltung der Vorschriften. Doch immer noch glaubte er, diese Intuition lernen zu können, wenn er nur genug übte.
Alles, was er sah, war ein anständig gekleideter junger Mann, der verständlicherweise etwas nervös war, einen Polizisten vor seiner Tür zu sehen. Aber das ließ sich ja auch über neunundneunzig Komma neun Prozent der Bevölkerung sagen, egal ob schuldig oder unschuldig. Und bei denen, die nicht nervös wurden, trat man einen Schritt zurück, zückte die Waffe und rief nach Unterstützung.
»Natalie Cobb«, sagte Scobie.
Der Blick des Burschen wurde kurz unruhig. »Was ist mit ihr?«
»Sie sind doch ihr Freund?«
Schulterzucken. »Na ja, eigentlich nicht. Wir sind zusammen rumgehangen. Was hat sie denn angestellt?«
»Davon weiß ich nichts«, sagte Scobie. Es war eisig kalt auf der Veranda. »Können wir reingehen?«
Asche dachte darüber nach, willigte dann aber ein. »Wenn Sie unbedingt wollen.«
Scobie folgte ihm durch ein Wohnzimmer, in dem nichts zusammenpasste und alles vom Trödel stammte. An den Wänden hingen Fotos von tollen Autos.
»Sie mögen Autos.«
Andy zuckte mit den Schultern. »Ja.«
»Und Computerfreak, wie ich sehe.«
Jetzt wirkte der Bursche wirklich nervös. Er hat sich Pornos angeschaut, nahm Scobie an. In einem Korbeimer unter dem Tisch an einer Wand lag zerknülltes Druckerpapier, auf dem Tisch stand ein beeindruckend wirkender PC. Ein anderer Polizist als er hätte spätestens jetzt die Schraube enger angezogen, einfach nur so – hätte nachgeschaut, was auf dem Computer war, hätte Schubladen und Papierabfall kontrolliert.
Andy Asche sagte: »Ist Nat verletzt oder so was?«
»Keine Ahnung. Was denken Sie?«
»Das müssen Sie doch wissen«, antwortete Asche und fasste sich wieder.
Da hat er Recht, dachte Scobie. Ich bin nicht besonders gut darin, Leute zu nerven. »Ihre Mutter hat sie seit Donnerstag nicht gesehen.«
»Donnerstag«, echote der Bursche.
»Genau. Haben Sie sie seitdem gesehen?«
»So eng befreundet sind wir nicht.«
»Aber Sie haben sie gesehen.«
»Nein.«
»Sicher?«
»Ja.«
»Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
Scobie beobachtete Asche ganz genau. Ein gut aussehender Bursche; fit, sauber, ein Ohrring, mehr nicht. Würde er lügen?
»Ach, seit ein paar Wochen schon nicht mehr.«
Ja.
»Und Sie haben Natalie nicht am Dienstag vor dem Magistrates’ Court in Frankston abgeholt?«
Langsam dämmerte es Andy. »Ach ja, richtig, hab ich vergessen.«
»Und wohin haben Sie sie an dem Tag gefahren?«
»Zurück zur Schule.«
»Und, haben Sie Natalie seitdem gesehen?«
Andy Asche beharrte eisern darauf, Natalie Cobb seither nicht gesehen zu haben. »Sie hat gerade schlechte Laune«, merkte er noch an. »All der Mist mit der Verhaftung ihrer Mutter, Schule, Sie wissen schon.«
Scobie bemühte sich erneut, Asche richtig einzuschätzen. »Wenn Sie sich mit Ihnen in Verbindung setzt, sagen Sie ihr bitte, sie soll sich zu Hause melden und mich anrufen. Wäre das wohl möglich?«
»Klar, kein Problem.«
Auch der Sonntag war ein stiller, grauer Tag. Für Pam hätte es ein Tag der Ruhe sein sollen – wobei in ihrem Fall »Ruhe« gleichzusetzen war mit einem Trainingstag für das Triathlon –, aber sie hatte die offizielle Benachrichtigung erhalten, sich am Montag zu einer formellen Anhörung einzufinden. Also verbrachte sie den Tag damit, ihre Notizen durchzugehen und Tank zu erreichen, der aber nicht zu Hause war oder nicht ans Telefon ging – Ellen Destry konnte sie nicht anrufen. Sie konnte niemanden anrufen. Der Sonntag war furchtbar.
Auch für Vyner.
Er hatte gerade in sein Tagebuch geschrieben: Doch eines bleibt in all Deinen fein gesponnenen Träumen – Du bist Herr über Dein eigenes Schicksal ,als er die SMS erhielt. Der
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