Schnappschuss
hitzig.
Destry, ein stämmiger, arrogant wirkender Mann mit Bürstenschnitt, schaute zweifelnd. »Wenn der Toyota zu schnell fuhr – hundertdreißig, meint John Tankard –, wie kommt es dann, dass Sie Zeugen des Unfalls wurden?«
»Wir haben den Wagen nicht gejagt«, erwiderte Pam, »wir sind ihm gefolgt.«
»Und das bei höchstem Tempo«, sagte Ellen Destrys Gatte, »was den anderen Fahrer irregemacht hat.«
»So war es nicht.«
»Schreiben Sie Ihren Bericht und reichen Sie ihn noch heute ein. Morgen habe ich frei, also rechnen Sie nächsten Montag mit einer förmlichen Anhörung.«
»Eine förmliche Anhörung?«
»Ja. Was haben Sie denn gedacht?«
Andy Asche hatte es eilig. Er musste vor 17 Uhr zur Post. Mit Latexhandschuhen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, befüllte er seinen Drucker mit Papier, klickte die Bildergalerie an, die er von dem gestohlenen Laptop auf seinen Computer kopiert hatte, klickte dann auf die vier Thumbnails, auf denen die Gesichter der vier Männer deutlich zu erkennen waren, und erstellte dann mit »Drucken« mehrere Kopien.
Die Fotos glitten aus dem Drucker, er bildete fünf Stapel und schob sie in fünf Briefumschläge. Bevor er sie verschloss, schrieb er noch einen Brief in großer, fetter Schrift und druckte vier Kopien aus. Dann tippte er für den fünften Umschlag einen anderen Brief. Zum Schluss bretterte er den Highway nach Frankston hinauf, wo ihn niemand kannte, und brachte die Umschläge zum Hauptpostamt.
Während die Dunkelheit sich über den Mangrovenwald neben ihrem Haus senkte, setzte Tessa Kane, die es sich mit einem Glas Wein in ihrem Fleece-Trainingsanzug und der Wärme des langsam glimmenden Feuers behaglich gemacht hatte, die Internetsuche fort. Die Googelei gestern Abend war durchaus hilfreich gewesen, um noch einmal die Informationen zu checken, die über Charlie Mead und ANZCOR allgemein zugänglich waren – die nichtssagende öffentliche Fassade –, doch diesmal änderte sie ihre Suchbegriffe und konzentrierte sich auf die Zeit, bevor Mead und seine Frau nach Australien kamen. Außerdem hatte Tessa seit gestern dutzende nationale und internationale Telefonate geführt und mit Männern und Frauen gesprochen, die mit einem der Meads studiert, gearbeitet oder unter ihnen gedient hatten.
Zuerst schienen die Ergebnisse recht vielversprechend. Doch je tiefer Tessa grub, umso undeutlicher wurde das Bild von Charlie Mead. Stattdessen entdeckte sie mehrere Charlie Meads, zumindest verschiedene Varianten. In den Siebzigern und Achtzigern zum Beispiel hatte es eine Phase gegeben, in der er – nach seiner Dienstzeit bei den Sicherheitskräften in Simbabwe und seiner Tätigkeit als Sicherheitsberater in Südafrika – häufig den Wohnort wechselte, doch konnte Tessa keinen Grund dafür entdecken. Um Gläubiger abzuschütteln? Auch über seiner Militärzeit schwebte ein Fragezeichen. Er hatte bei der südafrikanischen Armee gedient, aber hatte er jemals das Kommando über eine hochspezialisierte Truppe mit Kontakten zum südafrikanischen Geheimdienst SAS, wie er behauptet hatte? Danach hatte er in Großbritannien für eine Sicherheitsfirma gearbeitet, die sich auf Überwachung, Schusswaffentraining, Personenschutz für reisende Geschäftsleute und Verhandlungen bei Geiselnahme und Kidnapping spezialisiert hatte. Dort war er 1986 gefeuert worden, nachdem südafrikanische Behörden ihn im Zusammenhang mit einem Versuch, Waffen und Söldner an Rebellen auf den Seychellen zu vermitteln, verhört hatten. Anfang der Neunzigerjahre war er zu ANZCOR gekommen und schnell aufgestiegen.
Über Lottie Mead hingegen entdeckte Tessa, mal abgesehen von ihrem Job im öffentlichen Dienst Südafrikas, fast gar nichts.
Tessa war frustriert. Die Fakten waren spärlich, und obwohl sie eine Weile danach hatte suchen müssen, fanden sie sich alle in den öffentlich zugänglichen Personalakten wieder und wiesen auf nichts hin, was man kriminell oder korrupt nennen konnte. Wozu sollte sie nun also einen Enthüllungsbericht schreiben, wenn es gar nichts zu enthüllen gab? Meads Moralbegriffe waren entweder nicht existent oder verachtenswert, aber unter dem gegenwärtigen politischen Klima, in dem Cowboys bewundert wurden, hatte Mead sicherlich einflussreiche Freunde und wurde als Macher angesehen.
Tessa hatte nur noch eine Möglichkeit. Sie griff nach dem Telefon und heuerte in Südafrika, England und den Vereinigten Staaten Privatschnüffler an.
Als Ellen an diesem
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