Schnauze Wessi: Pöbeleien aus einem besetzten Land (German Edition)
noch am jeweils am ersten Sonntag im Oktober feiern. Es gab heftige Kritik, weniger wegen der Entwertung des Feiertages als wegen der Arbeitszeitverlängerung für sein ohnehin geschundenes Agenda-Volk. Den wahren Hintergrund ahnte ebenfalls niemand, als die sächsische CDU vor einiger Zeit Überlegungen anstellte, historische Gedenktage unter einen ähnlich strengen Schutz zu stellen wie die so genannten »stillen Feiertage«, an denen Demonstrationen, aber eben auch Sportveranstaltungen gesetzlichen Einschränkungen unterliegen. Karfreitag, Totensonntag, Tag der deutschen Einheit – das wäre zwar auch den Gefühlen vieler Menschen entgegengekommen, denen der 3. Oktober oder der 9. November im Nachhinein wie das 9/11 Deutschlands vorkommt. Ex-Grenzsoldaten etwa, Mitarbeitern im Ministerium für innerdeutsche Beziehungen oder Millionen anderen Arbeitslosen. Aber prompt warf man den Politikern vor, nur kritische Proteste zur Einheit verhindern zu wollen.
Inzwischen hat der DFB-Vollstrecker Löw die Affäre ähnlich elegant gelöst wie die jahrelange Schande eines ostdeutschen Kapitäns. An seinem 31. Geburtstag sitzt Gerald Asamoah diesen Montag sogar ganz ohne Verein zu Hause. So danken sie es einem, wenn man zwischen die Räder politisch korrekter Ränke gerät. Nach 43 Länderspielen will er deshalb auch nicht mehr Deutschland sein, sondern künftig lieber im Ausland spielen.
Wer trotz dieser vielen Indizien nicht an die Asamoah-Verschwörung glaubt, kann ja mal auf die Rede des Bundespräsidenten achten. Nach dem Islam wird er sicher auch dieses Jahr wieder eine überraschende Eingemeindung vornehmen. Vielleicht gehört nun Griechenland zu Deutschland, vielleicht sogar Sachsen-Anhalt. Aber jede Wette, dass er einem Mann wieder nicht zum Geburtstag gratuliert. Ich schon – wem sonst an diesem Tag.
Alles Gute, Asa!
»Dass ihr Jungs euch nicht verscheißern lasst!«
»Es gibt keine harmlosen Zivilisten!«
John Rambo
Wettrüsten beim Abendbrot
Wenigstens unsere Kinder sollten wir da raushalten. Vielleicht werden sie ja eines Tages den Ost-West-Graben überwinden? Irgendwann, im Jahr 2066 oder so. Eine Hoffnung.
Finn-Ole hat jetzt eine Pumpgun. Ganz beiläufig erwähnt das Kevin beim Abendbrot, aber bei aufmerksamen Eltern schrillen natürlich trotzdem alle Alarmglocken. Normalerweise planen Kinder mit Elf selbst in Ostdeutschland noch keine Amokläufe. Und selbstverständlich – damit auch das gleich klar ist – heißt unser Sohn auch nicht Kevin. Meine Familie droht allerdings mit eingeschränktem Umgang, falls ich hier echte Namen benutze. »Kevin« soll außerdem für westdeutsche Leser die Orientierung erleichtern, die glauben, alle Kinder im Osten würden so genannt, sofern sie nicht gleich in einer Kühltruhe enden oder Justin heißen – so wie Kevins Bruder.
»Eine Pumpgun also«, antworte ich im gleichen lässigen Ton und reiche meiner Frau die Butter. »Na, und? Müssen wir uns Sorgen machen?«
Müssen wir nicht. Die Rede ist nur wieder mal von einer so genannten Soft-Air-Waffe, die Plastikkugeln schießt, ein altes Thema: Es war gewissermaßen schon vom Abendbrottisch. Kein Spielzeug. Kevin hatte das auch verstanden. Eigentlich. Das Problem ist sein neuer Schulfreund Finn-Ole.
Im Gegensatz zu Kevin heißt der wirklich so und genießt auch sonst kaum Persönlichkeitsrechte in der Klasse. Die anderen feixen immer noch über seinen Dialekt. Als ihn die Lehrerin vorstellte, wollte Finn-Ole seinen Namen lieber tanzen. Anfangs staunten zwar alle noch, dass er auf seiner alten Schule angeblich machen konnte, was er wollte – spielen, tanzen, ganz egal. Aber als sie merkten, dass er in der fünften Klasse noch nicht mal richtig lesen kann, war seine große Klappe bei den meisten schnell durch.
Wir wissen nicht genau, wo seine Familie herkommt und warum es unbedingt Leipzig sein musste. Aber das spielt ja nach 20 Jahren auch keine Rolle mehr: Er ist Kevins Freund – oder sagen wir mal so: Unser Sohn kümmert sich um Finn-Oles Integration, weil ihn alle anderen doof finden. Ziemlich nett, oder? Soziale Kompetenz und so weiter. Wir können stolz auf ihn sein.
Finn-Oles Eltern sind das sicher auch. Irgendwo muss er sein Auftreten ja herhaben: Die Bestechungsversuche am Schulkiosk. Die Drohung mit einer Klage seines Vaters, falls ihn die Mathe-Lehrerin noch einmal öffentlich mit den Malfolgen der Acht bloßstellt … Kevin fand das vor allem cool und erklärte Finn-Ole erst
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