Schneckle im Elchtest
alles – aber kein Missverständnis.« Er zuckte mit den Schultern und streckte vollkommen ungerührt und sehr entspannt die langen Beine von sich.
»Natürlich ist es das«, stotterte ich. »Es tut mir entsetzlich leid. Wenn ich darüber nachdenke ... musstest du das alles ja einfach missverstehen. Oh Gott. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut.«
»Bitte?«, fragte er nun doch irritiert. »Was soll das heißen?«
»Das soll heißen ... Herrgott, jetzt mach es mir doch nicht so schwer ... Du hast mich gerettet. Ja! Vielen Dank dafür. Und dann ... haben wir Schampus getrunken und in Lübeck eine tolle Nacht miteinander verbracht. Aber, hei, vielleicht hast du es schon vergessen: Danach bin ich direkt nach Stuttgart geflüchtet. Für mich war es nämlich genau das – eine tolle Nacht. Ich kann ja schließlich nichts dafür, dass du mir gefolgt bist. Und die letzten Tage hier – meine Güte, ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Genau wie du. Und du bist ein sehr leckerer Mensch. Genau mein Beuteschema. Es war wundervoll, ehrlich. Aber mehr ... geht im Moment einfach nicht. Tut mir schrecklich leid, Volker. Ich wollte dir nie Hoffnungen auf eine, äh, Beziehung oder sonst etwas machen. Für mich war das die tollste Bettgeschichte der Welt, ehrlich«, trompetete ich ihm entgegen.
Er saß mir nur stumm gegenüber und fixierte mich aus zusammengekniffenen Augen. Schließlich räusperte er sich. »Sabine ... Glaub mir, ich habe nie gelebt wie ein Mönch. Auch in Lübeck gibt’s Frauen, auch wenn das Leute wie Matze und seine Michelin-Männchen von der Karlshöhe vielleicht kaum glauben können.« Er gönnte uns ein schiefes kleines Lächeln. »Deshalb kann ich dir nur eins sagen: Das, was mit mir in den letzten Tagen passiert ist, das ...«, nun breitete sich das Grinsen auf seinem Gesicht aus, das meine Knie schon wieder nachgeben ließ, »... ist wirklich, wirklich, wirklich superobermegamäßig selten. Und noch eins: Es passiert nie, nie, nie nur auf einer Seite. Es ist wie Pingpong. Spaghetti Bolognese. Käse und Spätzle. Was auch immer: Dazu gehören zwei. Also erzähl mir nichts von toller Bettgeschichte. Das nehme ich dir nämlich im Leben nicht ab.«
Ich musterte ihn ungläubig – und zunehmend wütend. »Wärst du vielleicht so nett und würdest meine Gefühle mir selber überlassen?«, fauchte ich kratzbürstig. »Ich werde ja wohl mit knapp vierunddreißig wissen, wie es mit meinem Liebesleben bestellt ist.«
»Anscheinend nicht«, gab er kühl zurück.
»Du täuschst dich«, antwortete ich knapp.
»Und was ich sowieso fragen wollte: Wie lange wolltest du eigentlich bleiben? Ich meine, so ein, zwei Tage mehr sind schon in Ordnung ...«
»Das ist nicht dein Ernst«, fragte Volker ungläubig und völlig fassungslos. »Du wirfst mich raus? Wegen deiner noch in den Sternen stehenden Karriere? Oder weil du einfach Schiss vor einer echten Beziehung hast?«
»Blödsinn, du liegst total daneben«, fauchte ich.
»Das sehe ich nicht so. Wenn ich mir deine Beziehungen nämlich so anschaue, scheint mir genau da der Hund begraben zu sein«, sagte er sehr ernst.
»Was soll das denn heißen?«, fragte ich bass erstaunt.
»Na, deine ganzen so genannten Freundinnen und MO – ihr macht doch die ganze Zeit nichts anderes als aufeinander herumzuhacken!«
Ich prustete heraus. »Du hast keine Ahnung! Schon wieder ein Missverständnis. Glaub mir: Ich liebe MO, Nina und Silke. Sie sind meine Familie. Ich würde alles, alles, alles für sie tun – und sie für mich. Du verstehst einfach unsere, äh, Mentalität noch nicht so gut. Wir Schwaben necken und schimpfen nur so schlimm miteinander, wenn wir absolut glücklich mit jemandem sind. Zu Arschlöchern sind wir exquisit höflich.«
»Aha. So wie du zu mir im Moment.« Er verschränkte die Arme.
Jetzt war er richtig sauer. Ich hatte es anscheinend fast geschafft.
»Also?«, hakte ich noch einmal nach. »Wann fährst du?«
Volker schaute auf seine Armbanduhr und erwiderte kühl: »Wäre es für dich in Ordnung, wenn ich diese Nacht noch bleibe? Auf dem Sofa natürlich. Gleich morgen früh verschwinde ich dann auf Nimmerwiedersehen. Ich habe um neun Uhr noch eine letzte Verabredung mit dem Auswanderer.«
»Das verstehe ich«, meinte ich gnädig. »Kein Problem.«
»Bestens«, erwiderte er in Kühlschranktemperatur. »Dann wünsche ich der feinen Karrierefrau mit der exquisiten schwäbischen Lebensart und den besonders guten Freunden angenehme
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