Schnee an der Riviera
dufteten, noch in der Hand, schmiegte Nelly sich an die Brust ihres Mannes, der ihr sanft übers Haar strich. Nach ein paar Minuten erhob sie sich, um die Blumen in die blaue Glasvase zu stellen und die Kerzen in dem vierarmigen Messingleuchter anzuzünden, den Carlo von einer seiner Reisen mitgebracht hatte. Carlo schob die Brotscheiben in den Ofen und entkorkte eine Flasche Dolcetto. Sie schüttelte ihre Schuhe so schwungvoll ab, dass sie in den Blumentöpfen auf der Terrasse landeten, zog den BH aus, der ihre stattlichen Brüste einzwängte, und warf ihn auf einen der Korbstühle.
»Oho, das fängt ja gut an«, kommentierte Carlo und nahm rasch den BH auf, um seinen Duft einzuatmen. Nach der vierten Bruschetta mit Knoblauch, Öl, Peperoncino und frischen Tomaten und der zweiten mit Sardellen und Peperoncino und nach dem dritten Glas Dolcetto schmiegte sich Nelly wieder in seine Arme.
»Zum Glück bist du so solide. Da brauche ich keine Angst zu haben, dich mit meinem Gewicht zu erdrücken.«
»Keine Sorge, ich halte was aus. Wie war’s denn heute?«
»Wir segeln auf Sicht.«
Eine lange Pause, dann murmelte er: »Hmmm.«
»Und du, ist dir etwa was eingefallen?«, fragte Nelly, die neugierig geworden war.
»Es gibt ein paar Eckpfeiler. Die Schule. Das Anatra azzurra . Habibs Wohnung. Das Haus der Pittalugas. Francis Wohnung ...« Carlo zögerte. »Deine Wohnung.«
»Meine Wohnung? Hier?«
»Deine Wohnung. Hier. Hast du mal in Maus Sachen gesucht? Oder im Rest der Wohnung? Vielleicht hat er etwas versteckt?«
Nelly war wie vom Blitz getroffen. Letztlich wäre der Polizeipräsident gar nicht mal im Unrecht gewesen, wenn er ihr den Fall entzogen hätte. Schweigend stand sie auf und ging in Maurizios Zimmer. Carlo folgte ihr. Sie stellten den gesamten Raum auf den Kopf. Nelly war sauer. Das Zimmer des eigenen Sohnes durchsuchen zu müssen schien ihr geradezu unanständig, doch vor allem ein leuchtender Beweis für ihr Scheitern als Mutter und Polizistin, und es frustrierte sie, dass sie nicht früher daran gedacht hatte. Eine ganze Weile fanden sie nichts, doch dann zogen sie aus den Tiefen einer Schublade, unter verwaschenen, geflickten T-Shirts von Mau – diese oder keine, neue zog er ja nicht an – eine lackierte Dose hervor, wie man sie in den Chinaläden der Altstadt kaufen konnte. Sie war schwarz und mit rosa Seerosen verziert.
»Die hält Monica in der Hand, auf ihrem Selbstporträt. Das war es also.«
»Bist du dir sicher? Mach sie auf.«
In der Dose lag ein kleines Herz aus Gold, oder besser, ein halbes Herz. Es brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, bei wem sich die andere Hälfte befand.
»Dann hatte ich also recht. Sie sind wieder zusammen, aber im Geheimen. Warum heimlich, zum Teufel? Was hecken sie die ganze Zeit aus? Er und diese kleine Schlampe!«
Nellys Stimme klang fast hysterisch. Carlo sah sie erstaunt an.
»Was hat dich denn gebissen? Dein Sohn ist nicht verpflichtet, dich über sein Liebesleben auf dem Laufenden zu halten. So habe ich dich ja noch nie erlebt, das passt gar nicht zu dir.«
»Begreifst du denn nicht? Ich traue diesem Mädchen nicht. Und Mau auch nicht. Und wenn sie Heimlichkeiten haben, geht es vielleicht nicht nur um Liebe. Vielleicht waren sie auch in anderen Dingen Komplizen.«
»Das ist ein Liebespfand. Mehr nicht. Beruhige dich. Wenn du dich so verhältst, verstehe ich, dass dein Sohn keine große Lust verspürt, sich dir anzuvertrauen.«
Ihr blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Was für ein widerwärtiges Beispiel von Männer-Solidarität! Doch sie war zu neugierig, ob noch mehr zu finden wäre, um jetzt darauf einzugehen. Schweigend und angespannt setzten sie die Suche fort.
»Nichts, verdammt, nichts!«
»Du müsstest dich doch freuen, dass wir nichts finden. Was hast du denn erwartet, dass wir auf ein Kilo Kokain stoßen?«
Nelly schoss wie von der Tarantel gestochen herum, doch bevor sie Carlo mit einer Schimpftirade überziehen konnte, rief er aus: »Was haben wir denn da?«
In einer Socke hinten im Schrank hatte er etwas gefunden. Nelly erkannte es zuerst gar nicht, so komisch kam es ihr vor, dass Mau sein Handy in eine Socke wickeln sollte. Aber nein, sein Handy hatte er ja mitgenommen, und er hatte ein Siemens, während das hier ein altes Nokia war, ziemlich groß, kein Mobiltelefon der neusten Generation.
»Aber das ... das ist Franci Bagnascos Handy! Wie kommt denn das hierher?«, rief sie schließlich bestürzt aus,
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