Schnee Im Regierungsviertel
Hauptflugbücher des laufenden und des vergangenen Jahres bereitgelegt und die Seiten mit den Eintragungen der Flüge Kubitzkas durch angeklammerte Papierstreifen gekennzeichnet. Der Flugbetrieb war zu dieser Morgenstunde noch nicht richtig angelaufen. Nur bei den Frühaufstehern des Bundesgrenzschutzes vor der Westhalle des Platzes brummelten Hubschraubermotoren. Dort schien man sich auf den Flugdienst vorzubereiten.
»Warum steigst du denn dauernd hinter dem Kubitzka her?« war Stockies erste Frage nach der Begrüßung. »Die Bücher sind ordnungsgemäß geführt; was kannst du daraus schon entnehmen?«
Freiberg ließ sich die Eintragungen erklären.
»Gestern nachmittag ist Kubitzka nach Essen-Mülheim geflogen«, erläuterte Stockmann. »Da sitzt die Anlagenfirma, für die er Geschäfte einfädelt. Das weiß hier jeder.«
Freiberg blätterte weiter zurück. »In Aachen war er schon, in Brüssel, und sogar in Paris. – Kannst du mir einen Gefallen tun, Stockie, wie im Falle Siegerland?«
»Aber ja doch. Was willst du wissen?«
»Ganz einfach – ob die Cessna wirklich in Essen-Mülheim gelandet ist.«
Stockmann schüttelte den Kopf. »Menschenskind! Genau dort ist er doch hingeflogen – und genau von dort ist er auch zurückgekommen. Steht alles fein säuberlich im Buch. Hier, und hier, und hier. Überzeug dich!«
Freiberg nickte. »Ich zweifle keine Sekunde, daß die Bucheintragungen stimmen. – Trotzdem, tu mir den Gefallen und ruf in Essen an.«
Stockmann schien wenig begeistert zu sein, griff aber zum Telefon und brachte sein Anliegen vor. »Gut, ihr ruft in ein paar Minuten zurück… doch ja, es eilt. Amtshilfe für einen Kollegen.«
Ein Lautsprecher krächzte, und von irgendwo aus dem Luftraum kam die Bitte um Landeerlaubnis für eine Bonanza. Es war merkwürdig und unwirklich, vom Tower aus mit einem noch unsichtbaren Flugzeug im Gespräch verbunden zu sein. Doch bald tauchte die Maschine in der Ferne auf und landete glatt.
»Der ist nicht von hier. Vielleicht ein Geschäftsmann oder ein Politiker, der sich für das Vaterland verzehrt; aus Bayern kommt er nicht.«
Als sich der Kollege vom Tower in Essen-Mülheim wieder meldete, konnte Freiberg über den zugeschalteten Lautsprecher mithören. Kubitzka war dort – wie von Stockmann vorausgesagt – gelandet, und ein paar Stunden später zu einer Zeit gestartet, die unter Berücksichtigung der normalen Flugdauer dem Zeitpunkt der Landung in Hangelar entsprach.
Stockmann dankte dem Kollegen und wandte sich Freiberg zu.
»Siehst du – ein stinknormaler Flug war das!«
Der Kommissar ließ nicht locker. »Wir müssen auch noch den früheren Trip nach Aachen-Merzbrück checken.«
Stockmann sah Freiberg mitleidig lächelnd an. »Bei dem Spiel kann ich nicht lange mithalten. – Meine Nerven und der Etat meiner Dienststelle werden überstrapaziert, wenn wir deine Visionen bis nach Brüssel und Paris verfolgen.«
»Bitte, Stockie, noch einmal – gib deiner Seele einen Stoß. Die nächsten Gespräche gehen auf meine Rechnung.«
Stockmann drehte seinen Sessel und rollte damit zum »Kommandostand«. Ein Gewirr von Knöpfen, oszillierenden Sichtgeräten, Hebeln und Schiebern ließen etwas von der Technik erahnen, die der Flugbetrieb im überlasteten Luftraum der Bundesrepublik auch auf einem kleinen Verkehrslandeplatz erfordert. Inmitten der Geräte prangte ein knallroter Knopf, so groß wie eine Kinderfaust.
»Wofür brauchst du den?« fragte Freiberg neugierig.
»Alarm für die Feuerwehr, für Notarzt und Helfer. Ein Schlag drauf, und hier heult alles los. Auch die Jungen vom Tower des BGS an der Westhalle hängen an der Leitung. Die sind sofort im Einsatz, wenn ein Flieger auf die Schnauze fällt. – So, und nun habe ich Aachen-Merzbrück an der Strippe.«
Stockmann sagte seinen Spruch auf und präzisierte: »Cessna Abflug Hangelar Dienstag dieser Woche, neun Uhr. Rückmeldung vom Inlandsflug, Abflug Aachen-Merzbrück, am gleichen Tage zwölf Uhr fünfzehn. – Ihr seht nach – bestens. Ich erwarte euren Rückruf.«
Freiberg nahm eins von den beiden Ferngläsern und betrachtete die abgestellten Flugzeuge. Stockmann deutete auf Kubitzkas One-seven-two. »Den weißen Tiefdecker daneben, eine Mooney 205, hat Mario Pavone für über zweihunderttausend Mark gekauft und bar bezahlt.«
Der Rückruf von der Luftaufsicht in Aachen-Merzbrück ließ eine Weile auf sich warten; doch dann kam die Überraschung.
»Wie bitte – der ist bei euch nicht
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