Schnee Im Regierungsviertel
gelandet?« fragte Stockmann ungläubig. »Das kann doch nicht stimmen. Hin- und Rückflug sind bei mir eindeutig gemeldet und im Hauptflugbuch eingetragen. Okay, geht noch mal alles durch und ruft mich an, wenn ihr doch noch etwas findet.«
Kommissar Freiberg hatte seinen Stuhl an die Stirnseite des Funktisches geschoben, die Ellenbogen auf die Platte und sein Kinn auf beide Fäuste gestützt; so sah er Stockie mit starrem Blick an. »Gib mal bitte die Fliegerkarte von Westdeutschland und Benelux her.«
»Low Countries«, erläuterte Stockmann. »Eins zu einer Million, ein ganz frisches Blatt.«
»Ist es schwer, mit dem Flugzeug unbemerkt über die Grenze zu kommen?« fragte Freiberg.
»Du spinnst! Die Merzbrücker haben Kleister auf den Augen, oder ihre Buchführung taugt nichts. Die werden sich gleich schon berichtigen. – Ohne gemeldeten Flugplan über die Grenze – nee, das geht nicht – ist strengstens verboten.« Stockmann ereiferte sich. »Das macht keiner absichtlich. Im übrigen sitzt ein paar Kilometer nördlich in Geilenkirchen die NATO mit ihrer Awacs Luftüberwachung, und im Raum Nörvenich fliegt die Bundeswehr.«
»Dann ist es also doch schwer?« wiederholte Freiberg seine Frage. »Ich nehme an, alle Flugzeuge werden vom Radar erfaßt, oder?«
»Die kleinen in der Regel nur, wenn der Transponder eingeschaltet ist; und Awacs kann man auch unterfliegen.«
»Aha – und wenn der Transponder ausgeschaltet ist?«
»Dann wäre die Erfassung weniger wahrscheinlich. Damit du mich nicht weiter mit Fragen nervst: Nein, es ist überhaupt kein Problem, die Westgrenze zu überfliegen. – Aber ich sage dir noch einmal: Das ist ohne eingereichten Flugplan streng verboten.«
»Das habe ich schon verstanden – aber wenn ein Pilot es nun doch tut?«
»Ihr Laien könnt wirklich dämliche Fragen stellen. Jeder Pilot muß bei der Landung angeben, woher er kommt, also den Abflugplatz benennen.«
»Wird jedesmal zurückgefragt?«
»Nein, im Regelfall nicht. – Wozu auch?«
Freiberg blieb hartnäckig. »Hast du einen Zirkel?«
»Ja, hier muß noch irgendwo einer herumliegen. Ich benutze ihn manchmal zum Abgreifen von Entfernungen.« Stockmann holte einen alten Metallzirkel aus der Schublade und sah fragend auf.
Freiberg beugte sich vor. »Nun nimm einmal folgendes an: Hin- und Rückflug je eineinviertel Stunden, dazwischen ein Aufenthalt von dreißig Minuten. Wie weit kann die Cessna gekommen sein? Schlag mal einen entsprechenden Kreis um Bonn.«
Stockmann brachte Geschwindigkeit, Flugdauer und Entfernung in das richtige Verhältnis und schlug einen dicken schwarzen Kreis auf die brandneue Karte. »Die ist für mich versaut«, brummte er.
»Ich kaufe sie dir ab«, tröstete Freiberg. »Also – wir schaffen es von Bonn-Hangelar glatt bis Brüssel, Antwerpen und Rotterdam, d’accord?«
»Oder bis nach Osnabrück, nach Kassel, oder bis Ludwigshafen; ein Kreis hat dreihundertsechzig Grad.«
»Anerkannt – wir beide wollen die Gesetze der Navigation nicht außer Kraft setzen. Aber ich bin nun mal an den Beneluxstaaten interessiert – der Schnee kommt meistens mit der Westdrift herüber.«
Bei diesem Nachsatz wußte Stockmann sofort, wohin Freibergs Überlegungen gingen. »Mensch, Freund Walter. Kokain – das wäre ja eine tolle Geschichte. – Da muß sofort der Zoll ran.«
»Später!«
»Oder die Polizei!«
»Witzbold!«
Stockmann lachte laut los. »Wenn man vom Deubel spricht, ist er nicht weit. Also, du meinst, Kubitzka schmuggelt Rauschgift? Was hast du damit zu tun? Du bist doch von der Mordkommission.«
»Eben!«
»Die Tote vom Kaiser-Wilhelm-Stein?«
Freiberg nickte. »Wir ermitteln in vielen Richtungen. Bitte, Stockie, zu niemandem ein Wort darüber.«
»Ehrenwort! – Soll ich die holländischen und belgischen Flugplätze abfragen?«
Der Kommissar überlegte. »Nein, besser nicht; du bringst die nur in Verlegenheit, wenn ihre Buchführung nicht stimmt. Ich werde mal meinen Freund Commissaire-en-Chef Boeremans in Brüssel bitten, ein paar Auskünfte einzuholen.«
»Ich müßte meine vorgesetzte Dienststelle informieren.«
»Warte damit noch, bis ich von Boeremans die Rückmeldung habe. Es kann sich ja wirklich um Eintragungsfehler handeln. Dann hättest du die Kollegen in Aachen-Merzbrück ganz schön in die Pfanne gehauen.«
Stockmann nickte: »Also gut.«
»Kann ich die Karte mitnehmen?« fragte Freiberg und stand auf.
»Aber ja – geschenkt im Zuge der Amtshilfe.«
»Es
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