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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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brachte. Trons Name tauchte nirgendwo auf, und er hoffte, dass Pergen nichts von seiner Exkursion nach Triest erfahren würde.
    «Glauben Sie, dass Signora Schmitz von demselben Täter umgebracht worden ist, der auch Moosbrugger getötet hat?», fragte Haslinger.
    «Das weiß ich nicht. Jedenfalls hat der Täter dasselbe Mordinstrument benutzt. Ein außerordentlich scharfes Messer.»
    «Aber diesmal scheint es einen Kampf gegeben zu haben», sagte Haslinger.
    «Was darauf schließen lässt, dass Signora Schmitz den Mörder nicht kannte. Er hat entweder in der Wohnung auf sie gewartet oder sich mit einem Vorwand Einlass verschafft und sie dann ermordet.»
    «Hat irgendjemand etwas gesehen?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Spuren am Tatort?»
    «Nur ein abgerissener Knopf, an dem ein Stück Stoff hing. Schwarzer, dicker Wollstoff, vermutlich von einem Mantel.»
    «Und Moosbruggers Aufzeichnungen?»
    Tron zuckte mit den Schultern. «Nichts. Aber die Wohnung ist durchsucht worden. Ich glaube, dass diese Liste dort aufbewahrt war und der Mörder sie mitgenommen hat.»
    «Haben Sie einen Verdacht?», fragte Haslinger.
    «Spadeni hat einen Verdacht. Er hält Pater Tommaseo für den Täter.»
    Haslinger machte ein skeptisches Gesicht. «Das ist absurd. Dann müsste er ja auch den Mord an Moosbrugger begangen haben. Wie kommt Spadeni darauf?»
    «Weil es am 12.   Februar in Wien in einem Hotel am Gloggnitzer Bahnhof einen Mord gab, der ihn an den Mord auf der
Erzherzog Sigmund
erinnert. Eine Frau ist gefesselt, misshandelt und erwürgt worden. In dem Hotel ist in derselben Nacht ein Priester abgestiegen.»
    Haslinger nickte. «Tommaseo hat am 13.   Februar die
Erzherzog Sigmund
bestiegen. Er könnte aus Wien gekommen sein.»
    «Das wissen wir nicht. Und wenn er tatsächlich aus Wien kam, heißt das noch gar nichts», sagte Tron.
    «Nehmen wir einmal an, er hat das Mädchen in Wien getötet und auch das Mädchen auf dem Schiff – dann gab es eine Person, die darüber Bescheid wusste – jedenfalls was den Mord auf der
Erzherzog Sigmund
betrifft.»
    «Moosbrugger.»
    Haslinger zündete sich eine Zigarette an. Blauer Rauch kräuselte sich über dem Tisch. «Also musste Moosbrugger sterben, und auch seine Aufzeichnungen mussten verschwinden.»
    Tron nickte. «Wobei ihm Signora Schmitz in die Quere kam.»
    Haslinger schüttelte entsetzt den Kopf. «Großer Gott», sagte er. «Der Pater selber war das Werkzeug Gottes, von dem er gestern gesprochen hat. Was haben Sie vor?»
    «Das ist nicht mein Fall, sondern Spadenis. Er wird feststellen, ob Tommaseo heute in Triest war und ob er am 13.   Februar aus Wien kam.»
    «Und dann?»
    «Dann wird man Tommaseo gegebenenfalls ein paar Fragen stellen.»
    «Werden Sie ihn verhören?»
    «Nein. Es sind Spadenis Ermittlungen. Ob er Tommaseo nach Triest vorlädt oder ob er zur Vernehmung nach Venedig kommt, ist seine Entscheidung.»
     
    Kurz nach Mitternacht stellte Tron fest, dass sein Kabinenschlüssel nicht passte. Es dauerte ein paar Minuten, bis ihm aufging, dass seine Kabine auf der
Prinzessin Gisela
zwardieselbe Nummer hatte wie auf der
Erzherzog Sigmund
, aber genau auf der anderen Seite des Ganges lag. Auf der
Erzherzog Sigmund
begann die Zählung der Kabinen auf der linken Seite, auf der
Prinzessin Gisela
auf der rechten. Soweit Tron erkennen konnte, war das der einzige Unterschied zwischen den beiden Schwesterschiffen.
    Tron hatte Haslinger, nachdem dieser die Rechnung beglichen hatte, auf den Maskenball der Contessa eingeladen, und der Ingenieur hatte sofort zugesagt. Der Contessa, dachte Tron, die aus Gründen, die sich seinem Verständnis entzogen, ganz begeistert von der Gasbeleuchtung auf der Piazza war, würde Haslinger gefallen.
    Als Tron in seiner Kabine lag, halb eingelullt vom Sauternes und vom Rhythmus der Schaufelräder, kam der Schlaf schneller, als er dachte. Er hatte befürchtet, dass sein Verstand immer wieder zu den blutigen Bildern von Signora Schmitz zurückkehren würde, aber bereits fünf Minuten nachdem er das Licht gelöscht hatte, schlief er tief und fest.

40
    Elisabeth legt die Akte, in der sie gelesen hat, auf den Schreibtisch zurück. Sie verschränkt die Hände hinter ihrem Nacken und gähnt. Dann steht sie auf, tritt ans Fenster und schiebt den Vorhang zur Seite.
    Zwei Offiziere, von San Marco her kommend, überqueren den Markusplatz. Tauben flattern auf, landen wieder und picken nach Brotkrumen. Das Pflaster der Piazza glänzt silbrig.

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