Schneeballflirt und Weihnachtszauber
dürfen mich nicht sehen.
Vielleicht wollte er dann wissen, weshalb ich heimlich auf dem Marktplatz stehe. Welche Antwort würde ich ihm geben?
Ich biss mir auf die Lippe – keine Ahnung. Das war jetzt auch noch nicht wichtig. Das Allerwichtigste überhaupt war, ob er eine Freundin hatte oder nicht.
Vielleicht war er unglücklich verliebt und wollte Weihnachten, so wie wir, abhauen?
Katinka, bremste ich mich, deine Fantasie geht mit dir durch! Überstürze nichts, sonst vergraulst du dir den Jungen!
Ich sprang aus dem Bett. Das Badezimmer war natürlich von meinen Schwestern besetzt. »Beeilt euch, ich hab was vor!«, rief ich und trommelte an die verschlossene Tür.
»Dauert nicht mehr lange!«
Das will ich doch hoffen, murmelte ich und überlegte, was ich anziehen würde. Was Schickes, Warmes, wenn ich schon mit Melli in die Stadt fahren musste. Da kamen nur die superengen Jeans, die rote wattierte Jacke und Großtante Katrins Stulpen samt Mütze und Schal – alles im gleichen Muster und der Neid meiner Freundinnen – infrage.
Natürlich fiel es allen auf, dass ich mich schön gemacht hatte. »Was hast du vor?«, erkundigte sich meine Mutter.
»Weihnachtseinkäufe in der Stadt«, antwortete ich fröhlich.
Lene biss in ihr Brötchen. »Wir … «
»… kommen mit, Katinka.« Line angelte sich eine Orange.
Mist! Ich hätte vorsichtiger sein müssen!
Bedauernd schüttelte ich den Kopf. »Ich fahre mit Melli.«
Line zeigte mit dem Finger auf mich. »Du willst uns nicht dabeihaben, stimmt’s?«
»Klar stimmt das«, bestätigte ich cool, schob den letzten Bissen in den Mund und machte die Fliege.
Melli war natürlich noch nicht fertig, und Onkel Alois jammerte, sie solle doch zu Hause bleiben und mit ihm die Neue besuchen.
»Also das ist zu viel verlangt«, protestierte ich. »So auf Knopfdruck geht das nicht; außerdem hat Melli versprochen, mir bei meinen Weihnachtseinkäufen zu helfen. Ne, Onkel Alois, die gehen vor. Oder willst du, dass ich an Weihnachten mit leeren Händen unterm Baum stehe?«
Onkel Alois gab sich geschlagen und drückte Melli einen Schein in die Hand. »Such was Nettes für Sandra aus, ja?«
»Für wen?«, erkundigte ich mich, obwohl ich wusste, um wen es sich handelte.
»Für Sandra. Ihr wisst schon.«
Ich tat so, als verstünde ich nur Bahnhof. »Wer ist Sandra?«
»Vaters Neue. Meine Stiefmutter.« Melli wollte ihrem Vater den Schein zurückgeben.
»Den behältst du«, sagte ich energisch. »Wir suchen etwas Passendes für sie aus. Wie wäre es mit einer Packung Stinkbomben?« Ich funkelte Onkel Alois böse an. »Du bist mir so einer! Schickst deine Tochter los, um nicht selbst ein Geschenk aussuchen zu müssen!«
»So ist es nicht«, protestierte er.
»Wie dann?« Ich zögerte. »Soll denn das Baby nichts bekommen, Onkel Alois? Ich meine, wenn wir schon in der Stadt sind, könnten wir eine Rassel oder ein Plüschtierchen für Sandras Kind besorgen.«
»D… das erledige ich selbst«, stotterte Onkel Alois.
Ich zog Melli aus dem Haus. »Das Geld können wir gut gebrauchen«, erklärte ich. »Wir kaufen eine Tüte gebrannte Mandeln oder so, und den Rest verwenden wir für die Sterne.«
Melli heulte schon wieder. Ich blieb stehen. »Damit hörst du sofort auf!«, schimpfte ich. »Mit Tränen erreichst du gar nichts.«
»Aber – «
»Die zwei Wochen bis Weihnachten hältst du noch durch. Wenn wir erst mal weg sind, kommt dein Vater zur Besinnung und schickt die Neue zum Teufel. Hundert Pro. Und meine Familie wird in Zukunft den Mund halten. ›Katinka treibt sich in schlechter Gesellschaft herum!‹ äffte ich Tante Jutta nach. Das lasse ich mir nicht bieten!«
Eine knappe halbe Stunde später waren wir auf dem Weihnachtsmarkt und drängelten uns auf der Suche nach den schönsten Sternen an den Buden vorbei. »Guck mal!«, rief Melli entsetzt. »Ein Stern drei Euro! Das ist Wucher!«
»Es ist Handarbeit«, widersprach die dicke Frau hinterm Tisch.
»Gibt es keine billigeren Sterne?«
Die Frau kreuzte die Arme vor der Brust. »Nicht bei mir!«
An einem anderen Stand waren die Sterne billiger, aber längst nicht so schön. »Die kommen bestimmt aus China«, sagte ich. »Die nehmen wir auf keinen Fall, Melli.«
Ganz am Ende des Marktes, an einer ganz schlechten, dunklen Stelle, wo eine kleine Gasse abging, stand ein Mädchen vor einem verrosteten Gartentischchen, auf dem jede Menge Stroh- und Papiersterne auslagen.
Ich schaute sie genau an und ging mit Melli
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