Schneeflockenbaum (epub)
als ein Hund, vorausgesetzt, es gibt Wasser in der Nähe, und das ist hier der Fall.«
»Junger Mann«, sagte der Vermieter drohend, »ich habe gesagt: keine Haustiere.«
»Dann glaube ich nicht, dass ich dieses Zimmer ...
»Das glaube ich auch nicht«, sagte der Mann brummig. »Sie sind außerdem zu groß, Sie würden sich hier ständig den Kopf stoßen.« Dann wandte er sich an Jouri. »Und wie finden Sie das Zimmer? Sie sind klein genug. Oder möchten Sie auch so einen Otter ...?«
»Nein, nein«, erwiderte Jouri sehr freundlich, »nein, ein Otter, das wäre mir zu arbeitsaufwendig. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, hier ein Sonnenbad zu nehmen.«
»Sie nehmen das Zimmer also?«
»Ja, es sei denn, Sie hätten etwas dagegen.«
»Wenn Sie mir dann gleich die Miete für den ersten Monat bezahlen würden.«
Jouri entrichtete eine Monatsmiete, bekam den Schlüssel überreicht und sagte, er werde das Zimmer demnächst möblieren. Anschließend fuhren wir zur nächsten Adresse: Uiterste Gracht 171.
Unterwegs sagte ich zu Jouri: »Da willst du einziehen? Bei einem derart mürrischen Kerl?«
»Der Mann ist bestimmt gar nicht so übel. Und so eine Souterrainwohnung mit einem Fluchtweg zum Steg, was will man mehr? Aber du bist ja vielleicht ein verrückter Spinner! Faselst was von einem Otter!«
»Und dieser Mann erst! Der dachte, ich wolle im Ernst einen Otter halten. Weiß der denn nicht, dass Otter in den Niederlanden ausgestorben sind?«
»Nein, das weiß so jemand nicht.«
Auf der Uiterste Gracht öffnete eine Frau die Tür, die ebenso breit wie groß war. Wenn man sie um neunzig Grad gedreht hätte, hätte sie in etwa genau die gleiche Figur gehabt, und man hätte sich höchstens gefragt: Warum sitzen die klobigen Schuhe mit Knöpfen an der Seite? Sie trug eine Brille, in die Vergrößerungsgläser eingebaut waren. Sie schaute Jouri an, strahlte über das ganze Gesicht und sagte: »Sie kommen wegen des Zimmers?«
»Ja«, antwortete Jouri, »aber ich bin bereits versorgt; mein Freund hier ...
Darauf ging sie nicht ein. Wir folgten ihr durch einen langen Flur, stiegen eine Treppe hinauf und gelangten in ein recht großes Zimmer mit hässlicher Blümchentapete und deprimierender Aussicht in einen farblosen Innenhof. Die Blumenwand wurde jedoch zum größten Teil von einem irrsinnig hohen Klavier verdeckt, an dem altmodisch Kerzenständer befestigt waren.
Mein Herz hüpfte vor Freude. »Darf darauf gespielt werden?«, fragte ich die Frau.
»Wenn keiner zu Hause ist«, sagte sie zu Jouri.
»Unter diesen Umständen würde ich das Zimmer gern nehmen.«
»Dann bitte eine Monatsmiete im Voraus«, sagte sie zu Jouri.
Ich überreichte ihr das Geld. Sie stellte sogleich eine Art Quittung aus und gab sie Jouri.
»Bis bald«, sagte sie zu Jouri.
Als wir wieder auf der Straße standen, sagte ich: »Die wird bestimmt komisch gucken, wenn ich demnächst hier auftauche.«
»Wohl kaum«, meinte Jouri, »die Frau ist nahezu blind, sie sieht keinen Unterschied zwischen dir und mir.«
Sogar diese Frau, dachte ich später, hat nur Augen für Jouri und übersieht mich einfach. Daher war ich heilfroh, als wir am letzten Tag der Erstsemestereinführung, nach Studienfächern getrennt, verschiedene Wege gingen.
Ehe ich mich bei den Biologen einschrieb, begab ich mich zur Musikschule, wo ich mich zum Klavierunterricht anmeldete. Danach marschierte ich zur Raamgracht und stieg die Betontreppe zum Reichsmuseum für Naturgeschichte hinauf. Im obersten Stockwerk stand bereits die Tür zu einem dunklen Hörsaal offen, in den nur durch Fenster unter der hohen Decke natürliches Licht drang. Überall standen Huftierskelette und hingen Schädel, mit Geweihen darauf. Inmitten der Skelette sollte sehr bald ein stattlicher Friese, der Institutsleiter Professor Boschma, zu uns sprechen.
Professor Boschma stand bereits hinter einem Katheder und schaute sich der Reihe nach die zukünftigen Biologen an. Ich betrachtete währenddessen die Rücken und Hinterköpfe meiner bereits anwesenden Mitstudenten. Fünfzehn Jungen und sieben Mädchen. Während ich dem Institutsleiter schüchtern zunickte und mich hinsetzte, fiel mein Blick auf den Hinterkopf eines der Mädchen. Das ist doch Hebe, dachte ich ganz erstaunt, wie kann das sein? Will sie hier auch Biologie studieren? Aber warum weiß ich davon nichts? Und warum hat sie sich die Haare wachsen lassen?
Das Sonnenlicht, das sich gleichsam über die hoch oben angebrachten Fenster
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